Alpbacher Congress Centrum

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Ö1 Schwerpunkt

Alpbacher Technologiegespräche 2019

Künstliche Intelligenz (KI) ist keine Utopie mehr. Sie bestimmt auf vielen Gebieten schon heute unser Leben. Sie kann dabei helfen, Verkehrsstaus zu vermeiden und schwere Krankheiten früher zu erkennen, die Entwicklung der Erderwärmung besser zu verstehen und Finanzmärkte neu zu gestalten.

Sie kann industrielle Produktion und Mobilität effizienter und ressourcenschonender machen, "Hate Speech" und Radikalisierung im Internet frühzeitig erkennen und Vorhersagen auf vielen Gebieten als neue Wissenstechnik verbessern. Wie jede mächtige Technologie kann KI aber auch missbraucht und manipuliert werden.

Die Intransparenz der Algorithmen, die Gefahrenpotenziale großer Datensammlungen und die Perfektion umfassender Überwachungstechniken werfen die Frage auf, ob KI demokratisch gestaltbar ist und wie wir ethisch und vernünftig damit umgehen können, um unsere Freiheit nicht zu gefährden. Da die Grundannahmen und Auswertungsverfahren von künstlicher Intelligenz den User/innen nicht bekannt sind und die zugrunde liegenden Daten Fehler, Vorurteile und Geschlechterstereotypen enthalten können, geht es auch um Fragen der Legitimation und Gerechtigkeit, die gesellschaftlich zu diskutieren sind.

Neue Werte sind gefragt, oder überhaupt eine "Digitale Ethik", wie auch der Titel eines aktuellen Buches der Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann lautet. Der Wert der Freiheit im digitalen Zeitalter lässt sich nicht auf Gedankenfreiheit und Handlungsfreiheit reduzieren. Eine Grundsäule der Freiheit ist es, das Richtige auch wollen zu können, schreibt die Autorin: "Dazu muss man sich in der Fähigkeit schulen, die Wertigkeit in den Dingen zu erkennen. Diese Sensibilität im digitalen Zeitalter zu erlernen ist besonders schwer, denn das Internet tendiert mit seinen Echokammern und Filterblasen dazu, uns mit einseitigen Trugbildern zu verführen."

Permanent vernetzt und online zu sein kostet Zeit und Kraft und macht es schwer, sich ernsthaft mit den Themen auseinanderzusetzen. Können aber intelligente Maschinen, Sprachassistenten, Avatare und Roboter uns entlasten und helfen, unsere Freiheiten besser zu nützen? Sie könnten uns bei der Wissensgewinnung und Willensbildung beistehen, meint Sarah Spiekermann: "Sie könnten interaktive Coaches werden, die uns im Streben nach Weisheit multimedial unterstützen. Künstliche Intelligenzen könnten all unser wertvolles Wissen gespeichert haben, während sie uns Menschen sprechen bzw. laut denken lassen."

Entscheidend wird der künftige Abstand zwischen Menschen und künstlichen Intelligenzen sein. Wenn sie uns überholen und unsere Entscheidungen abnehmen, dann nicht, weil sie intelligenter sind, sondern weil wir Menschen verdummen und unsere Fähigkeit, eigenständig zu denken und zu entscheiden, verlieren.

Die Abhängigkeit vieler Menschen von ihrem Smartphone wäre dann nur eine lächerliche Vorstufe der Abhängigkeit von neuen virtuellen Wesen, zu denen wir menschenähnliche Gefühle entwickeln. Deshalb wird es darauf ankommen, Robotik und KI im Design bewusst nicht allzu menschenähnlich zu entwickeln, um emotionale Distanz dazu herstellen zu können. Dann kann es vielleicht gelingen, unsere Freiheit gegenüber den künstlichen Intelligenzen zu bewahren und menschliche Beziehungen weiterhin vorzuziehen.

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