David Shugliashvili mit Partituren seines Vaters

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Zeit-Ton

Mikheil Shugliashvili - Eine Wiederentdeckung aus Georgien

Der Komponist Mikheil Shugliashvili (1942-1996) gilt als der georgische Xenakis. Weil seine Kompositionsweise nicht den offiziellen Sowjet-Vorgaben entsprach, hatten seine Werke in Georgien keine Chance auf Publikation und Aufführung. Das ORF musikprotokoll sichert Shugliashvili nun den verdienten Platz in der Musikgeschichte: Der prominente internationale Verlag Boosey & Hawkes wurde gewonnen, seine Kompositionen herauszugeben, das RSO Wien sorgt in Graz für die Uraufführung des Hauptwerks "Polychronia". "Zeit-Ton" hat Shugliashvili, der auch einflussreicher Lehrer und Vorbild einer ganzen Generation georgischer Komponierender war, porträtiert.

So wird nicht nur sein Sextett und seine "Große chromatische Fantasie" für drei Klaviere aufgeführt, sondern es wird auch eine historische Uraufführung geben: Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien und Dirigent Ilan Volkov sorgen am Samstag, 5. Oktober Oktober 2019 beim ORF musikprotokoll für die Uraufführung von "Polychronia", einem der Hauptwerke Shugliashvilis.

Seine Musik groovt tierisch.

"Aber alles ist so präzise kalkuliert und rechnerisch begründet, dass das Gebäude super fest steht, wenn man es analysiert. Und manchmal fließt es, was Neuer Musik nicht immer gelingt", so Reso Kiknadze, Saxophonist, Komponist und Leiter des Konservatoriums von Tbilisi über Shugliashvili. Shugliashvili war nicht nur der Lehrer von Kiknadze, sondern hat eine ganze Generation an Komponistinnen und Komponisten Georgiens ausgebildet - in Privatstunden, denn ein offizieller Posten war ihm verwehrt.

Ö1 Musikredakteur Rainer Elstner zu Gast bei Tamuna Tolordava und David Shugliashvili in Tbilisi

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Ein Opfer seiner Zeit

Viele seiner Schüler sitzen heute an Schlüsselpositionen des georgischen Musiklebens. Sein eigenes Werk jedoch blieb weitgehend unentdeckt, unaufgeführt, unpubliziert. Das steht in schmerzhaftem Gegensatz zur musikalischen Qualität seiner Musik. Warum ist das so? Warum nennen die meisten georgischen Komponierenden, die man nach wichtigen Komponisten ihrer Heimat fragt, Mikheil Shugliashvili, obwohl es von seinen Werken kaum Aufnahmen gibt? Das liegt an der Zeit, in die er hineingeboren worden ist.

Eigene Klangsprache

Im sowjetischen Georgien war seine Musik zu westlich orientiert, "avantgardistisch" - seine Klangsprache hat einfach nicht den Vorstellungen der sowjetischen Kunst-Doktrin entsprochen. Zweimal hat Shugliashvili seinen Studienplatz am Konservatorium verloren - seine Musik sei zu kakophon, hieß es. Shugliashvili hat keine offizielle Unterstützung erfahren - ein Schicksal, vergleichbar mit Komponistinnen wie Galina Ustwolskaja, die trotz Sowjet-Drucks eine ganz eigene Musiksprache entwickelt hat - dasselbe gilt für Shugliashvili.

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"Polichronia" und "Große Chromatische Fantasie" kommen beim ORF musikprotokoll am 5. Oktober 2019 zur (Ur-)Aufführung.

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musikprotokoll.ORF.at

Schwerpunkt beim ORF musikprotokoll

Nun wird ausgerechnet in Österreich das Bild wieder etwas zurechtgerückt. Beim ORF musikprotokoll im steirischen herbst werden gleich drei großformatige Werke von Shugliashvili aufgeführt - eine Fantasie für drei Klaviere, ein Sextett für zwei Klaviere und Streichquartett und es wird eine Uraufführung vom zentralen Orchesterwerk des Komponisten geben: "Polychronia", eine riesig dimensionierte Partitur.

Shugliashvili hatte keine musikalisch tätigen Eltern: Der Vater war Philologe, die Mutter Lehrerin. Sein Talent wurde relativ spät entdeckt: Mit zehn Jahren entwickelte er großes Interesse an Musik. Er lernte Cello - für Klavier war es schon zu spät. Der junge Mann musste aber in seinen Studien schnell vorangekommen sein, denn das sowjetische Bildungssystem hievte ihn bald zum Cellostudium ans Moskauer Gnessin-Institut. Mit 15 Jahren kehrte er nach Tbilisi zurück und studierte bei Andria Balanchiwadze, dem Bruder des Strawinski-Choreographen George Balanchine, Komposition.

Westliche Avantgarde-Musik galt im sowjetischen Georgien offiziell als verpönt und kam nur über Schleichwege ins Land. Shugliashvili betrieb viel Aufwand, um so viele Materialien aus dem Westen zu sammeln, wie es ihm möglich war. Auf der Suche nach einer eigenen Musiksprache haben viele georgische Komponisten auf die Volksmusik zurückgegriffen - nicht aber Mikheil Shugliahsvili. Es gibt keine traditionellen georgischen Harmonien oder Motive in seinem Werk.

Frühe musikalische Laufbahn

Bereits im Alter von 18 Jahren unterrichtete er Musiktheorie an Musikschulen in Tbilisi. Als Musiklehrer entwickelte er eine durchdachte Lehrmethode für Kinder und Erwachsene, gründete eine kleine private Musikschule und lehrte Komposition.

Seine Schüler nehmen heute wichtige Positionen im Musikleben von Georgien ein. Das hat dazu geführt, dass der musikalische Geist Shugliashvilis in Georgien präsent ist, ohne dass seinem Werk eine nennenswerte Aufführungsgeschichte gegönnt war.

Partituren und CD

Das einzige Werk von Shugliashvili, das auf CD erschienen ist, ist die "Große Chromatische Fantasie (Symphonie)" für drei Klaviere.

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Die knapp einstündige Klangreise durch phantastisch zerklüftete Landschaften vermag starke Sogkräfte zu entfalten. Mikheil Shugliashvili staffelt hier die Klänge der drei Klaviere zu immer neuen Strukturen. Cluster und verschlungene Klangkaskaden formen dabei dieses monolithische Werk.

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Gestaltung

  • Rainer Elstner

Übersicht

  • Musikprotokoll 2019