Eisenreste im Fundament der Großen Halle, KZ Mauthausen, undatiert

MUMOK

Historisch aufgeladenes Terrain

Fotos von Heimrad Bäcker im mumok

Heimrad Bäcker gilt als einer der Wegbereiter der Avantgarde in Österreich und wichtiger Vertreter der konkreten Poesie - er hat die Zeitschrift "neue texte" herausgegeben, hat die Grazer Autorenversammlung mitbegründet und mit der zweibändigen "nachschrift" selbst ein vielbeachtetes literarisches Werk geschaffen, das sich mit dem System Nationalsozialismus und dessen Vernichtungslagern befasst. Jahrzehntelang fotografierte er auf dem Gelände der KZ Mauthausen und Gusen.

Kulturjournal | 30 09 2019

Anna Soucek

Das Museum moderner Kunst (mumok) hat aus dem insgesamt 14.000 Objekte umfassenden Foto-Nachlass von Heimrad Bäcker eine Ausstellung gestaltet, die noch bis Mitte Februar zu sehen ist: "es kann sein, dass man uns nicht töten wird und uns erlauben wird, zu leben" - so heißt diese Ausstellung nach einem Zitat des 2003 verstorbenen Dichters und Künstlers, der sich damit wiederum auf eine Tagebucheintragung aus dem Getto Lodz bezieht.

Verinnerlichte Landschaft

1968 begann Bäcker, das Gelände der ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen und Gusen zu erforschen. Er suchte nach Objekten und nach gebauten Resten der Anlagen, nach Spuren des Grauens, und wie diese von Menschenhand getilgt oder von der Natur zurückerobert werden. Manches ist auf den Fotos erkennbar, vieles lässt sich nicht identifizieren oder verorten. Einer Systematik folgte Bäcker nicht, er ließ sich vom Gelände leiten; manche Stellen besuchte er öfter, um deren Veränderung festzuhalten.

"Ein Grund, warum wir keine Beschriftungen mit Zeit und Ort haben ist, dass er diese nicht gebraucht hat. Das war tatsächlich ein Verinnerlichungsprozess von ihm, es hatte etwas Körperliches. Er wusste genau, wie er sich zu bewegen hat und hat bewusst fotografische Blicke gesetzt", sagt die Kuratorin der Ausstellung und designierte Sammlungsleiterin des mumok, Marie-Therese Hochwartner. Es gäbe eine gewisse Ambivalenz, meint sie, "einerseits geht er sehr nahe an seine Motive heran und holt sie heraus, andererseits tritt er einen Schritt zurück, um uns Landschaften zu zeigen - vielleicht um zu zeigen, wie sie verändert worden sind, wie unser Land verändert worden ist."

Zweifel und Reflexion

Einer Ästhetisierung der Spuren der Konzentrationslager kann sich Heimrad Bäcker nicht ganz entziehen, wenn er mit seiner Kamera etwa Bruchlinien oder Vegetationsspuren im Steinbruch Mauthausen betrachtet - jedoch sei er dieser Gefahr, die Schönheit in der Vergänglichkeit dieser Spuren zu suchen, stets gewahr gewesen, sagt Marie-Therese Hochwartner. Er habe seine Methodik stets hinterfragt und angezweifelt und habe auch nie zu einer für ihn stimmigen Präsentationsform der Bilder und des Textmaterials gefunden.

Diese Unschlüssigkeit, wie mit dem Mauthausen-Material umzugehen sei, wird in der Präsentation im mumok klug Rechnung getragen, indem verschiedene Formen von Arrangements nebeneinandergestellt werden, entlang Bäckers thematischen Interessen. Die Ausstellungsgestaltung durch die Künstler Eva Chytilek und Jakob Neulinger enthebt die Exponate ihrer Musealisierung - die Schwarz-Weiß-Abzüge und Notizen, aber auch die Fundstücke aus Bäckers Sammlung; Ein Seil, ein Gitter, zwei Holzböcke sind hier nicht auf Sockel hochgehoben, sondern wie beiläufig im Eck oder an der Wand platziert.

Heimrad Bäcker hatte zwar zweifellos künstlerische Absichten beim Fotografieren, doch auch ein wissenschaftlich-dokumentarischer Wert kommt seinem KZ-Konvolut zu - was sich nicht zuletzt auch in der Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Mauthausen Memorial abbildet.

Gras wuchs drüber

Bäcker lebte mit den Fotografien und Objekten, er war vollends involviert in die Geschichte des Areals, und ist es ihm auch ein Anliegen gewesen, wie damit umgegangen wird. Wenn etwa ein Gebäude umfunktioniert wurde, wie das Jourhaus. Von diesem aus wurden in Gusen die Abläufe geregelt; später wurde das Jourhaus zu einer Champignonfarm, und dann diente es als Villa.

In St. Georgen an der Gusen befand sich unter der Tarnbezeichnung "B8 Bergkristall" eine der größten unterirdischen Produktionsanlagen des Dritten Reichs - hier wurden unter strengster Geheimhaltung Düsenjagdflugzeuge des Typs Messerschmitt gefertigt; tausende Häftlinge mussten hier arbeiten, Tausende wurden ermordet. Nach dem Krieg war das Bauland in der Gegend westlich von Linz günstig - es wurden Einfamilienhäuser gebaut; über die örtliche NS-Geschichte wurde bis vor einigen Jahren geschwiegen. Auch deshalb ist Heimrad Bäckers Werk bemerkenswert: Er hat sich zu einer Zeit Gedanken über das Erinnern, das Bewahren und das Verschwinden gemacht, als von einer Gedenkkultur noch kaum die Rede war.

Service

mumok - Heimrad Bäcker. es kann sein, dass man uns nicht töten wird und uns erlauben wird, zu leben, bis 16. Februar 2020
Mauthausen Memorial

Gestaltung

  • Anna Soucek

Übersicht