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November
Miljenko Jergovic, "Ruth Tannenbaum"
Miljenko Jergovics Roman ist sas Ö1 Buch des Monats November.
1. März 2021, 16:21
In "Ruth Tannenbaum" erzählt Miljenko Jergovic die Geschichte der Kroatin Lea Deutsch, eines bejubelten Kinderstars, der von Hitler-Gefolgsleuten der Ustascha als Jüdin umgebracht wurde. Das Buch heißt jedoch "Ruth Tannenbaum", weil der aus Bosnien stammende kroatische Schriftsteller sich alle Romanfreiheiten nimmt. Entstanden ist ein schonungsloses Porträt des kleinen Balkanlandes im 20. Jahrhundert.
Ex libris | 27 10 2019 | Rezension von Jörg Plath
Miljenko Jergovic, der 1993 aus dem belagerten Sarajewo floh, seitdem in Zagreb lebt und schreibt, spart nicht, wie schon in früheren Büchern (u.a. "Buick Rivera", "Road Novel Freelander", "Die unerhörte Geschichte meiner Familie") mit Kritik an seiner neuen Heimat.
Er malt mit zahlreichen farbigen Abschweifungen ein Angstpanorama Kroatiens zwischen 1920 und 1943, in dem die Titelheldin und ihre Familie immer wieder zurücktreten und einer Gesellschaftsanalyse Platz zu machen, in der burleske, groteske, grausame, absurde Szenen einander abwechseln. Heraustagend an dem Roman ist aber die Beschreibung einer prekären, wankenden Gesellschaft als Beute rücksichtsloser Ideologen als überzeitliches Modell. Der Roman ist historisch und zugleich gegenwärtig.
Service
Miljenko Jergovic, "Ruth Tannenbaum", Übersetzung: Brigitte Döbert, Schöffling & Co
Originaltitel: "Ruta Tannenbaum"