Mann schaut in einem Flugzeug zurück

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Kino

Vom Gießen des Zitronenbaums

Nazareth, Paris und New York - das sind die Stationen im Film "Vom Gießen des Zitronenbaums", zugleich jene Orte, an denen der palästinensische Regisseur Elia Suleiman länger gelebt hat. Der Film bietet in Episoden verschiedene poetisch-absurde Alltagsbeobachtungen, die jeweils nur wenige Minuten dauern und sich zu Beschreibungen der Mentalität verdichten.

Morgenjournal | 14 01 2020

Arnold Schnötzinger

Angriff ist die beste Verteidigung, vor allem wenn sie nicht mit einem Schwert, sondern mit einem Zahnstocher geführt wird. Wollte man das Humorverständnis von Elia Suleiman erfassen, das könnte die Richtung sein. Mit der Lust an Widerspruch und liebevoller Übertreibung reist der palästinensische Regisseur in seinem Film "Vom Gießen des Zitronenbaums" durch die Welt und wird fündig am laufenden Band.

"Humor ist, wenn er nicht platt sein soll, eine komplexe Konstruktion" Elia Suleiman

Mann im Park

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Kulturjournal | 14 01 2020 - Elia Suleiman im Gespräch über Pointen, die auf Widerspruch aufbauen, und das Wiedererstarken seiner palästinensischen Identität

Arnold Schnötzinger

Schweigender Beobachter

Suleiman höchstpersönlich spielt den schweigenden Beobachter, der aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Der Mensch ist eben oft menschlicher, als jene Dogmen, die ihm oft vorgegeben, als jene ideologischen Fesseln, die ihm angelegt werden.

Da reißt einem Priester schon mal der Geduldsfaden mit der Androhung von Gewalt; da schauen Polizisten in Nazareth durch ein Fernglas, während zwei Meter vor ihnen ein Vandale wütet; da beschweren sich zwei betrunkene Männer, dass die Fleischsoße auf dem Teller ihrer Schwester mit Alkohol zubereitet wurde.

"Eigene Erfahrungen"

Ob exzessive Sicherheitskontrollen auf Flughäfen, ein nerviger Straßenmusiker in Paris oder offensiv sichtbares Waffentragen in New York - "98 Prozent dessen, was man in meinem Film sieht, basiert auf eigener Erfahrung", meint Elia Suleiman. Und weiter: "So unterschiedlich die Orte und Beobachtungen sein mögen, so sehr eint sie der gegenwärtig der unübersehbare Zug zur Gewalt."

Filmprojekt abgelehnt

Hinter Suleimans Sarkasmus stecken letztlich bittere Wahrheiten, auch politischer Natur. Doch politische Agitation ist Suleiman fremd. Als palästinensischer Künstler werde er ständig in diese Rolle hineingedrängt, auch bei diesem Film, den französische Produzenten abgelehnt hätten - mit der Begründung "zu wenige Palästinenser als Opfer", erzählt Suleiman.

Lange Zeit habe ich geglaubt, dass Israel mehr anzubieten hätte als Besatzung. Das war eine Illusion.

Poetisch-absurde Alltagsminiaturen

Kulturbeflissenheit und im nächsten Moment Rücksichtlosigkeit, die Verlogenheit von Toleranz, vermeintliche Liberalität als egoistische Gewissensberuhigung. In seinen poetisch-absurden Alltagsminiaturen zeigt Suleiman nicht nur gewissen Landsleuten im Ausland, sondern auch dem medialen Mainstream den gestreckten Mittelfinger, freilich nicht ohne vorher eine perfekte Unschuldsmiene aufzusetzen.

Gestaltung

  • Arnold Schnötzinger

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