Szenenfoto: Drei Männer und eine Frau sitzen an einem Tisch, im Hintergrund wird ein Kachelofen fortgetragen

MATTHIAS HORN

Dead Centre

Freuds Traumdeutung am Akademietheater

Zwei irische Regisseure offerieren dem Wiener Publikum einen neuen Blick auf Sigmund Freud, inklusive Publikumsbeteiligung, Traumverschiebung und anderen Unvorhersehbarkeiten: "Die Traumdeutung von Sigmund Freud" mit Alexandra Henkel, Philipp Hauß, Tim Werths und Johannes Zirner.

Morgenjournal | 16 01 2020

Judith Hoffmann

Wenn das irische Theaterregieduo Dead Centre alias Ben Kidd und Bush Moukarzel zur Tat schreitet, wird zuallererst die vierte Wand genussvoll demontiert, um an ihrer Stelle gleich mehrere horizontale Ebenen einzuziehen und schließlich mit und auf ihnen munter drauf los zu spielen. Die Darsteller schlüpfen in ihre Rollen hinein und wieder heraus, interagieren per Videoeinspielung mit sich selbst, wechseln Zeit und Ort oder überlassen ihre Stimme und Visage zeitweilig einer anderen Figur.

Freud neben seine Couch, dahinter Videoprojektion einer Frau

MATTHIAS HORN

Inszenierung auf möglichst vielen Ebenen

So auch bei der ersten Arbeit von Ben Kidd und Bush Moukarzel in Wien: Welches der vier Ensemblemitglieder seinen oder ihren Traum erzählen wird, entscheidet der Kartenstoß. Und sobald sich er oder sie, im konkreten Fall Alexandra Henkel, auf offener Bühne in Sigmund Freud verwandelt hat, wird schon die nächste Unbekannte ins Spiel geholt - eine Freiwillige aus dem Zuschauerraum soll sich ebenfalls auf die Couch legen und einen Traum erzählen.

Regisseur Bush Moukarzel dazu: "Es gibt im Theater immer eine gewisse Spannung zwischen gut geprobten und unvorhersehbaren Elementen, die jeden Abend neu und frisch sind. Wir haben diese Spannung einfach wörtlich genommen." Die unbekannte Größe - in Gestalt einer Mitspielerin aus dem Publikum - sei zudem eine Metapher für Freuds Rolle in seiner Kultur und Gesellschaft: "Er war es, der den Menschen erklärten, dass die Dinge und vor allem sie selbst nicht so sind wie sie zu sein glauben."

"Traumdeutung" als (unfreiwillige) Offenbarung

Im Zentrum des Abends steht die titelgebende Traumdeutung von Sigmund Freud, die im Stück von der Ehefrau und drei Freunden gelesen, interpretiert und auch heftig kritisiert wird. Schließlich erkennen sie sich alle selbst darin. Wenn auch unter anderem Namen, so hegte Freud keine Skrupel, die Geheimnisse seiner Bekannten und Patienten in diesem Werk Preis zu geben. Ein Werk, das nicht nur deshalb bei näherer Betrachtung weniger wissenschaftliche als vielmehr autobiografische Züge aufweist, so Moukarzel.

Zwei Männer im Anzug queren Straße

MATTHIAS HORN

Traumwandelnd über die Videowall

Kidd und Moukarzel nähern sich dieser Traumdeutung auf allen Sinnesebenen: Greenscreen, Live-Videos und andere multimediale Spielereien bugsieren Darsteller und Zuschauer von einem Wohnzimmer des 21. Jahrhunderts in Freuds Arbeitszimmer in der Wiener Berggasse, von dort weiter an die Orte seiner Kindheit und Träume, aber auch an die Traumschauplätze der freiwilligen Protagonistin aus dem Publikum, gerade so wie Träume eben beschaffen sind, erklären die Regisseure, zu deren Motto es auch gehört, sich die Inszenierung selbst so schwierig wie möglich zu machen.

Der Dramaturgie des Abends würden etwas weniger technische Spielereien - die den Spielfluss mitunter aufhalten und verzögern - durchaus gut anstehen. "Die Traumdeutung von Sigmund Freud" verspricht dennoch einen erfrischend neuen Zugang zum scheinbar Altbekannten zu eröffnen, und das tut vor allem und gerade in Wien besonders gut.

Gestaltung