Zwei Smombies auf einem Warnschild

APA/DPA/CHRISTOPH SCHMIDT

matrix

Smombies und Tinderkinder

Sie alle sind internetsüchtig und wissen nichts mehr, sie googeln alles und können nicht mehr sinnerfassend lesen, weil digitale Medien sie ständig von allem ablenken. Das Bild, das Medien und die ältere Generation von jungen Erwachsenen zeichnet, ist wenig schmeichelhaft und oft auch falsch.

Sie rennen mit gebeugtem Kopf durch die Straßen, während sie auf ihr Smartphone starren und drüber wischen: Die Smombies, die Smartphone-Zombies, die ständig online sind und nur sehr selten auftauchen aus ihrer glitzernden Instagram-Parallel-Welt oder der finsteren Online-Gaming-Hölle oder den Facebook-Untiefen. Wir haben junge Erwachsene mit diesen Klischees konfrontiert.

Lena ist 19 und schmunzelt, als sie auf das Unwort Smombie angesprochen wird, sie kannte die Bezeichnung gar nicht.

„Wir sind die erste Generation, die mit Smartphone aufgewachsen ist. Ich kann gar nicht wissen wie sich das Verhalten verändert hat.“

Guten Morgen und Hallo Smartphone - in der Früh ist das Erste der Griff zum Smartphone, erzählt Elisabeth 17 Jahre, und da stimmen auch Lena, Anna, Simon, Caro, Maria und Svenja zu. Zuerst Whatsapp und dann Instagram. Auf WhatsApp trudeln da Gruppennachrichten von Freunden ein, nebenbei Push-Nachrichten von Standard und Presse und auf Instagram Videos, Fotos und News.

Denn auch die Nachrichten konsumieren die Jungen über das Smartphone, nämlich über Instagram und in kleinen Häppchen: sie alle folgen auf Instagram der ORF Zeit im Bild und schauen dort die ZIB 100 und kurze Nachrichten-Videos an.

Die Plattform Instagram gehört dem Technologieriesen Facebook, und ist so etwas wie das neue Facebook. Immer mehr Jugendliche wandern von Facebook zu Insta wie sie es nennen und teilen dort ihre Fotos und Stories, das sind ganz kurze Videos, die man mit Emojis und Kommentaren verzieren kann.

„Wenn ich auf Insta bin merke ich, es interessiert mich irgendwie nicht was die Leute machen. Aber wenn ich runter geh denk ich mir, der macht das und der macht das und ich lieg nur im Bett“, sagt Lena.

„Aber das macht ja jeder, nur die coolen Sachen posten. Also es ist eh eine Scheinwelt.“

Positiv ist für Lena das Mobilisierungspotential der Sozialen Medien. Da entstehen die Instagram-Stories dann nicht in der Schweinwelt, sondern auf der Demo. Maria hat sich für alle sozialen Medien am Smartphone einen Timer gestellt, länger als eine Stunde am Tag will sie nicht durch Instagram, Snapchat oder Facebook scrollen - zumindest ein Ziel.

Was man auf Sozialen Medien alles teilt und wie man mit dem verlängerten Arm, dem Smartphone umgeht, beschäftigt ältere Generationen genauso wie ihre Freundinnen, grinst Maria.

„Nicht Jeder muss dich leiden können oder hübsch finden, dass muss einem egal werden.“

Matchen, chatten, daten. Sieben Jahre ist es her, seitdem eine App das Dating-Verhalten der Generation Y revolutionierte. Die Rede ist von Tinder. Mit mittlerweile über 30 Milliarden Matches und einem Umsatz von 1,7 Milliarden US-Dollar, Stand 2018 - ist Tinder eine Erfolgs-App die aus dem Alltag vieler Millennials nicht mehr wegzudenken ist.

"Das ist mein Typ! Den Like ich, ah aber es war kein Match."
"Ja aber es kann sein, dass er dich noch nicht gesehen hat."

Die beiden Freundinnen Dani und Miriam wischen sich durch die Dating-App Tinder. Pro Tag verzeichnet die Plattform zwei Milliarden Aufrufe. Und das in über 190 Ländern. Nutzerinnen und Nutzern bekommen Profile von Personen in ihrer Nähe angezeigt, die laut Algorithmus zu ihnen passen könnten. Eine Wischbewegung über den Handybildschirm reicht dann aus, um das vorgeschlagene Profil zu like oder abzulehnen. Gefallen sich beide Personen und wischen nach rechts, ergibt es ein Match, also einen Treffer. Erst dann können beide miteinander in einem Chat schreiben und sich kennenlernen.

Mit Tinder wird Dating, bequem, schnell und risikoarm – das zeigt zum Beispiel eine Mini-Studie der Technischen Hochschule Köln. Denn durch das Swipen in Sekundenschnelle ist der Aufwand des Tinderns sehr gering. Und Absagen werden leichter verkraftet, denn man kann sich schnell und völlig spontan zu einem neuen Date verabreden. Diese Spontanität gefällt auch Dani. Die 25-Jährige nutzt die App etwa drei Mal täglich. Beim swipen, chatten und daten steht für sie jedoch der Spaß an erster Stelle.

"Es ist halt schon cool wenn man viele Likes bekommt."

Das Liken und Matchen macht die App verführerisch: Man fühlt sich begehrt und positiv bestärkt. Kritiker warnen, dass daraus ein Bedürfnis nach Bestätigung entstehen könnte, das süchtig machen kann. Eine amerikanische Studie der Ohio State University bestätigt diese Kritik teilweise. Vor allem für einsame Menschen, denen es leichter falle über eine App Kontakte zu knüpfen, als im echten Leben, kann aus dem positiven Tinder- Erlebnis tatsächlich eine Sucht werden.

Eine der Tinder-Kritikerinnen ist die israelische Soziologin Eva Illouz. Sie glaubt, dass Internetdating und Kapitalismus die Liebe zerstören. Der Mensch und die Liebe wird ihrer Meinung nach zu einem Produkt. Dem entgegen stellt sich der deutsche Paartherapeut und Buchautor Fabian Lenné. Geht es nach ihm, leben immer mehr Menschen in guten Beziehungen und das auch dank des Internets. Tinder sei heute das, was früher die Disko war, glaubt Lenné So werden also die Nächte nicht mehr nur durchgetanzt, sondern auch durch getindert und durchgewischt.

Dreieinhalb Jahre ist es her, seitdem sich Miriam bei Tinder angemeldet hat. Gute Freunde haben Miriam damals die App empfohlen. Eine von ihnen hat ihren Freund darüber kennengelernt. Mittlerweile ist diese mit ihrem einstigen Tinder-Date sogar verheiratet. Miriam hat sich in ihrer Tinder-Zeit mit vier Männern über die App verabredet. Aber mit keinem hat es so richtig gefunkt.