
BILDERBUCH/LUCA MUELLER
Ausstellung
"Approximation by Bilderbuch" im MQ
Dass Pop und Punk längst museumsreif sind, ist nichts Neues. Üblicherweise füllen dann Erinnerungsstücke an große Karrieren die Hallen der Hochkultur. David Bowie oder auch Pink Floyd zeigten es im Londoner Victoria and Albert Museum vor - ihre Retrospektiven wurden gestürmt. Dass eine junge Band ins Museum geht, ist schon ungewöhnlich.
30. März 2020, 02:00
Dass sie dabei nicht primär sich selbst, sondern künstlerische Kooperationen ausstellt, ist noch ungewöhnlicher. Typisch Bilderbuch also - die Band liebt das Spiel mit der großen Geste und das Wiener MuseumsQuartier (MQ) bietet ihr dafür nun die Museumsbühne. "Approximation by Bilderbuch" heißt die Ausstellung, die heute eröffnet wird und sich der im Titel angesprochenen Annäherung zwischen Bilderbuch und den 13 vertretenen Künstlerinnen und Künstlern widmet.
Kulturjournal | 28 02 2020
Sie machen es, weil sie es können und sich die Gelegenheit bietet. Weil die Herausforderung lockt und nichts mehr Spaß macht. Zwei Mal vor Schloss Schönbrunn spielen, zwei Alben als Doppelpack veröffentlichen. Und jetzt: das Bespielen einer neuen Bühne. Das Museumsquartier hat gefragt, und Bilderbuch ließen sich nicht lange bitten. In "Approximation" gewährt die Band einen Blick hinter ihre sorgfältig inszenierte Fassade und holt ihre künstlerischen Komplizen auf die Bühne. Die Band, die sich selbst permanent neu formatiert tritt mit "Approximation" erstmals aus der Pop-Welt heraus.
"Eine Ausstellung in einem Museum ist eben doch etwas anderes, als einen Gig zu spielen. Da geht es darum, Farbe zu bekennen, Position zu zeigen, Inhalte zu transportieren. Wer ist man wirklich, sozusagen, das Innerste nach außen zu kehren", meint Kurator Klaus Krobath.

BILDERBUCH/LUCA MUELLER
Durchkomponierte Revue als Parallelstrom zur Musik
Fresh Max ist einer der ausgestellten Künstler, langjähriger Freund der Band und diesmal auch Kurator. "Wir hatten alle in Frage kommenden Stücke im Modell zur Verfügung und haben geschaut, was gemeinsam funktioniert und wie Dynamiken entstehen. Ich bin oft stundenlang mit Maurice davorgestanden, wir haben dann herumgeschoben, um einen angenehmen Rhythmus zu finden, wie man durch die Ausstellung geht." Alles also eine Frage des Rhythmus - und eine Ausstellung atmosphärisch dicht durchkomponiert wie ein Bilderbuch-Album.
Es sind nur vier Räume durch die Bilderbuch in ihrer ersten Ausstellung führen, doch diese vier Räume vibrieren mit kreativer Energie. Malerei, Skulptur, Fotografie, Installation - die Formate sind vielfältig. Gleich am Eingang eine Installation von Daliah Spiegel, die vor fünf Jahren das Schick Schock Album bebilderte. Sie gestaltete eine Bühne die den, der sie erklimmt mit Kameras und Mikros konfrontiert, die doch nie das zeigen und wiedergeben, was man erwartet. "Hier wird zum ersten Mal real, was es bedeutet im Rampenlicht zu stehen und plötzlich von allen beobachtet zu werden. Es gibt Paparazzi und die Leute fotografieren dich - das sind neue Dynamiken und ein guter Start hinein in die Bilderbuch-Welt", sagt Kurator Fresh Max.
Es geht um den Star als Objekt öffentlicher Begierde. "Wie weit kannst du immer dein Bild beeinflussen? Was wird mit deinem Abbild gemacht? Hast du gewusst, worauf du dich einlässt und kann es nicht auch anders gelesen werden?" - Das sind die Fragen, die Spiegel im Podcast zur Ausstellung stellt. Eine Installation als Hinweis auf Identitätsfragen hinter dem schillernden Label Popstar.

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"Basically wie ein künstlerisches Gespräch"
Musik gibt es auf den ersten Schritten durch "Approximation" keine zu hören. Erst an einer Gitarrenskulptur erklingt dann der entsprechende Soundtrack. Das ausgestellte Stück schmückte ursprünglich als 3D-Bild des Design-Kollektivs Sucuk und Bratwurst das Cover einer Single - und sieht aus, als ob es aus einem Dali-Bild entwendet wurde: verformt und geschmolzen. Für die Ausstellung wurde die Gitarre in Handarbeit in die reale Welt überführt.
Mit "Approximation" versucht Bilderbuch die kreativen Biotope im eigenen Umfeld auszuleuchten und den Subtext zum Text zu machen. Es gibt es auch Platz für Arbeiten abseits von Bilderbuch. Mafia Tabak hat das Cover des Albums "Vernissage My Heart" gestaltet. Er steht an der Kreuzung zwischen Malerei und Graffiti. "Approximation" zeigt zwei frisch entstandene riesige Gemälde. "Ich habe verschiedenste Entwürfe im Originalformat gemacht und sie mit der Kreativabteilung der Band durchgesprochen. Die Arbeit mit Bilderbuch ist basically wie ein künstlerisches Gespräch, das dann zum Produkt hinführt."
Kunst.Pop.Galaxie
Es sind kreative Schulterschlüsse, gemeinsame Haltungen und Perspektiven rund um den Fixstern Bilderbuch, die hier ausgestellt werden. "Diese Ausstellung entwickelt sich jeden Tag weiter, es wird jeden Tag mehr - und so funktioniert auch die Band", meint Janikk Schäfer, einer der Kuratoren der Schau. "Es gibt keine dummen Ideen. Es gibt ein 'Ja, das fühl‘ ich und verstehe ich' oder eben nicht." So ist "Approximation" auch eine Multimedia-Erkundung künstlerischer Geistesverwandtschaften. "Im besten Sinne ein Miteinander, ein Lenken und sich lenken lassen"meint Sänger Maurice Ernst im Podcast zur Ausstellung.
Im letzten Raum die vom Münchner Clemens Loeffelholz gestaltete aktuelle Bühne der Band. Ein riesiger Planet samt Umlaufbahn hängt über dem Schlagzeug. Aus einem überdimensionierten Wasserhahn schießt eine Licht-Fontäne, vier beleuchtete Weltkugeln unterstreichen das Bühnen-Motto "One Earth". In der Mitte ein Kühlschrank, aus den Boxen wummert leicht verzerrt unveröffentlichte Bilderbuch-Musik. Der Besucher ist in der Gegenwart angekommen.
Nach den beiden Schönbrunn-Konzerten werde sich etwas ändern, hat Maurice Ernst im Frühjahr 2019 gemeint. "Approximation" markiert diesen Einschnitt. Die Schau ist keine uninspirierte Ansammlung schicker Accessoires, sondern zeigt eine sich ausdehnende Kunst- und Pop-Galaxie. "Approximation" ist also auch ein Auftakt. "Jetzt kommt auch ein neues Kapitel. Es entsteht gerade etwas. Die Band war gerade auf großer Reise, weil etwas entsteht und wächst. Wir haben schon ein paar Sachen gehört und es klingt sehr spannend", blickt Kurator Jannick Schäfer in die Bilderbuch-Zukunftskugel. Für den Moment bleibt die Annäherung.

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Soundcloud - Approximation by Bilderbuch