Buch mit Lesemarken

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Tonspuren

Ein literarischer Mythos

"Tonspuren" über Michail Bulgakows Opus magnum "Meister und Margarita".

Der junge Michail Bulgakow liebte die Oper. Als seine Schwester einmal alle Eintrittskarten zählte, die ihr Bruder gesammelt hatte, stellte sie fest, dass Michail mehr als 40 Mal Charles Gounods Oper "Faust" gesehen hatte, deren Libretto auf dem gleichnamigen Werk von Goethe basiert. In Bulgakows späterem literarischen Schaffen sollten sich viele Motive aus dem "Faust"-Stoff wiederfinden, vor allem in seinem Opus magnum "Meister und Margarita", das der Autor mit folgendem Zitat eröffnet:

Nun gut, wer bist du denn? - Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

"Meister und Margarita" ist ein komplexer Roman, der mehrere Handlungsebenen in sich vereint. Er beginnt damit, dass zwei Herren der Moskauer Literaturszene an einem "ungewöhnlich heißen Frühlingstag" auf einen Unbekannten treffen, der sich ungeniert in ihr angeregtes Gespräch über Religion einmischt. Der Unbekannte (sein Name lautet Voland, wie sich später noch herausstellen wird) behauptet, er sei dabei gewesen, als Pilatus über Jesus urteilte. Eine Szene, die Mick Jagger zu folgenden Zeilen der Rolling-Stones-Nummer "Sympathy for the Devil" inspirierte: "I was ’round when Jesus Christ / Had his moment of doubt and pain / Made damn sure that Pilate / Washed his hands and sealed his fate."

Meister und Margarita

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Aufregung in Moskau

Auch das Schicksal der beiden Herren, die auf Voland treffen, Berlioz und Besdomny, ist besiegelt. Berlioz verliert im wahrsten Sinne des Wortes seinen Kopf, und Besdomny wird in eine "Irrenanstalt" eingeliefert. Voland, der Teufel in Menschengestalt, sorgt (gemeinsam mit seinen unheimlichen Konsorten, darunter ein großer, sprechender Kater) im weiteren Verlauf der Handlung für gehörige Aufregung und Verwirrung im Moskau der 1930er Jahre. Er lässt Leute verschwinden, hypnotisiert Massen und veranstaltet einen großen Ball.

Die titelgebenden Charaktere, der Meister und Margarita, sind ein Liebespaar. Er, der Meister, hat einen Roman über Pontius Pilatus geschrieben. Dabei handelt es sich um eine Metaebene in Meister und Margarita, denn diese Geschichte von Pilatus und Jeschua (Jesus) wird ebenfalls erzählt. Zunächst von der stalinistischen Zensur drangsaliert und schließlich von der Kritik verrissen, stürzt der Meister (in dem sich autobiografische Elemente Bulgakows wiederfinden) in immer größere Verzweiflung. Er verbrennt die Manuskripte seines Romans und liefert sich selbst in jene "Irrenanstalt" ein, in der sich auch Besdomny aufhält. Margarita wiederum will ihren geliebten Meister retten, weshalb sie sich auf einen Pakt mit Voland einlässt …

Autobiografische Elemente

Michail Bulgakow hat mit "Meister und Margarita" eine komplexe politische Satire geschrieben. Um diese vollkommen zu verstehen, bedarf es eines historischen Kontexts und Kenntnissen der russischen Literaturgeschichte sowie der Biografie des Autors.

Der Schriftsteller litt unter dem sowjetischen Zensurapparat, denn ein Großteil seiner Werke durfte zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht werden. An "Meister und Margarita" arbeitete er von 1928 bis zu seinem Tod im Jahr 1940. Das Buch erschien posthum, 27 Jahre später, und avancierte schnell zum Kultroman.

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