Szene aus "Cargo", Mann steht im Sonnenlicht

NETFLIX

Weissagungen & Irrungen

Pandemien in der Popkultur

Eine Pandemie, also die unkontrollierbare Ausbreitung einer unerforschten Infektionskrankheit, das ist der Inbegriff von Kontrollverlust. Und Kontrollverlust, bzw. die Rückerlangung von Kontrolle in einer postapokalyptischen Welt, das ist oft Stoff von Science-Fiction-Romanen, Horrorfilmen oder auch Computerspielen. Aus diesen kennen wir ja auch Bilder wie leergefegte Straßen, die gerade zu unserem Alltag gehören.

Eine unsichtbare Gefahr, die das öffentliche Leben lahmlegt und Gesellschaftssysteme an die Grenzen ihrer Belastbarkeit drängt - das ist ein dystopisches Szenario, das in popkulturellen Produkten immer wieder als Ausgangslage verwendet worden ist.

"Prophetische" Überzeichnungen

Der US-amerikanische Autor Dean Koontz schreibt in seinem 1989 neuaufgelegten Roman "Eyes of Darkness" über ein tödliches Virus namens Wuhan-400, das von chinesischen Wissenschaftlern als biologische Waffe gegen die USA entwickelt wurde - reichhaltiger Stoff für Verschwörungstheorien, aus heutiger Sicht. Und in der Fernsehserie "Die Simpsons", die immer wieder mit der Überzeichnung aktueller Themen aus Politik und Gesellschaft arbeitet und daher so manche "Prophezeiung" getroffen hat, gab es 1993 eine Folge, in der von sinistren Machthabern eine Epidemie losgetreten wird.

Die Auslöschung der Menschheit durch einen Krankheitserreger ist Ziel des Strategie-Computerspiels Plague Inc., bei dem man in die Rolle eines Virus schlüpft. Besonderer Beliebtheit erfreut sich das Spiel immer dann, wenn es tatsächlich Epidemien gibt - in China war es zuletzt das am häufigsten heruntergeladene Spiel, bis es unlängst verboten wurde.

Spiel mit Urängsten

"Diese Szenarien von Pandemien, die wir in Spielen oft als Zombie-Pandemien kennen, haben teilweise ganz erschreckende Parallelen zu unserer Welt. Es sind aber eher Parallelen zu unseren Ängsten, als zu dem was tatsächlich passiert. Denn das wäre in den Horrorspielen der Zusammenbruch von Staat, Gesellschaft und Zusammenhalt", meint der Historiker Eugen Pfister. Er forscht zu digitalen Spielen als historische Quellen, und er leitet das Forschungsprojekt "Horror-Games-Politics" an der Hochschule der Künste Bern.

Viren im Spiel, meint er, entziehen sich noch viel mehr unserer Greifbarkeit als sonstige Games-Protagonisten wie Aliens oder Monster: "Viren sind nur die Überreste oder die Basis von DNA - das macht es auch unmöglich, mit ihnen in irgendeiner Form kommunizieren zu können. Da kann man nicht einen Friedensvertrag schließen oder einen Waffenstillstand aushandeln oder herausfinden, was sie von uns wollen. Es ist wirklich die urtümlichste Form der Natur - vor der wir ohnehin immer ein wenig Angst haben. Das ist schon eine Urangst, die uns immer weiter begleiten wird."

Die Krise als kollektive Erfahrung

Wir durchleben einen historisch einzigartigen Moment: Die Gesamtheit der Weltbevölkerung ist, fast zum gleichen Zeitpunkt, mit dem gleichen Problem und seinen Auswirkungen konfrontiert - das sei eine prägende kollektive Erfahrung, die sicher auch in popkulturellen Produkten Ausdruck finden wird, meint Eugen Pfister. Mangels eines Erfahrungsschatzes mit dieser Krise popkulturelle Produkte wie Science-Fiction oder Computerspiele auf mögliche Lösungsansätze hin zu lesen, das wäre jedoch tragisch - denn da heißt es oft: Jeder kann sich nur auf sich selbst verlassen.

"Also Hardcore-Individualismus", sagt Eugen Pfister, "In letzter Instanz müssten wir da alle Prepper werden, die in Holzhütten im Wald ziehen und genug Munition und Dosenessen horten. aller Prepper werden. Ein bisschen spürt man diese Tendenz – auch in Österreich – wenn Klopapier ausverkauft wird, weil jeder sich selbst am nächsten ist und man es nicht schafft, kollektiv intelligent zu handeln, weil genug Klopapier für alle da ist, was zu Engpässen führt. Aber im Großen und Ganzen ist es schon auch beruhigend zu sehen, dass auch andere Weltdeutungen und Handlungsanweisungen funktionieren, die wir eben nicht aus den Horrorspielen kennen."

Gestaltung

  • Anna Soucek