Dalmatien, Meer und Boot

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Das Meer - Ort der Sehnsucht, Ort der Gesetzlosigkeit

Es ist gefährlich, voller Strudel und Tiefen, unheimliche Tiere schwimmen herum und ums Eck von uns ist es auch nicht. Vor zweihundert Jahren hätte man das Meer kaum als Sehnsuchtsort vermisst.

Das Meer verhieß Schrecken: auch wenn es Nahrungsgeber war. Wer in die Wellen geriet, war verloren, denn kaum jemand konnte schwimmen. Die Fischer der irischen Aran Inseln trugen Pullover mit familientypischen Mustern, an denen sie erkannt wurden, so ihre unkenntlichen Leichen nach einem Unfall an die Küste gespült wurden.

Es ist ein gewachsener Sehnsuchtsort, einer, der durch viele kleine Meeressehnsuchtsrevolutionen zu dem geworden ist, was er heute ist. Durch seine Heilwirkung, die Kurorte am Meer schuf und den Boom des Tourismus in Küstenregionen zur Folge hatte. Durch die Einführung des bezahlten Urlaubs, der Zeit zum Reisen ermöglichte, durch die Mobilität.

Das freie Meer befreit den Geist.

Neben dem Urlaubsgefühl ist da aber noch etwas, das sich vielleicht mit Goethe, der bekanntlich weitgereist war, umschreiben lässt: „Das freie Meer befreit den Geist“. Oder mit Henrik Ibsen: "Hätten sich die Menschen zuerst an ein Leben auf dem Meer gewöhnt, - oder im Meer,- dann wären wir vielleicht vollkommener als jetzt. Besser und glücklicher."
Sprich: das Meer ist Teil von uns, wir finden Frieden in der Weite, dem Schaukeln, das uns ans Urmeer erinnert.

Ins Meeresglück mischen sich Misstöne

Das Mittelmeer ist zu einem Symbol für ein alle Hoffnungen vernichtendes Massengrab geworden, weltweit kann man Sklaverei in Fischerbooten, das absichtliche Ablassen von Öl, Menschenhandel oder illegalen Walfang beobachten, es gibt Männer, die angeheuert werden, um Schiffe zu entführen oder andere, die bei einem Eigentümerwechsel nicht bezahlt werden, in Sichtweite zur Küste auf den Schiffen zurückgelassen werden und wegen fehlender Papiere nicht von Bord können.

In den Meeren schwimmt Plastikdreck, den die Initiative Ocean Cleanup von gigantischen Müllinseln befreien möchte, die Piraterie vor der somalischen Küste wurde mit internationaler Hilfe vielleicht nur vorübergehend geschwächt, kurz: die Tendenzen trüben die Meeresstimmung.

Im Sommer 2019 formten Umweltschützer in der chinesischen Hafenstadt Nantong eine fast 70 Meter lange Walskulptur aus Plastikabfällen, die sie zuvor aus dem Meer gefischt hatten.

APA/AFP/STR

The outlaw ocean

Was uns erwartet, hat der US-amerikanische Investivjournalist, Ian Urbina, in seinem Buch „Outlaw Ocean. Die gesetzlose See“ aufgezeigt: Ein künftiger Territorialkonflikt etwa, der dem Meeresspiegelanstieg geschuldet ist, betrifft entlegene kleine Inselnationen im Meer. Viele werden vom Meer verschluckt. Und wenn, wie im Fall von Palaus, das Helen Riff verschwindet, hat das eine zusätzliche Bedeutung. Denn seine Riffe stellen die südlichste Grenze des Landes dar, sinken sie unter die Wasserlinie, vergrößert sich der Anspruch Indonesiens an palauische Gewässer um rund 140 000 Quadratkilometer.

Nach sechs Jahren Recherche für sein Buch weiß Ian Urbina, dass Fischereiboote Orte größter Menschenrechtsverletzungen sind und die Meere ihre eigenen Gesetze haben. Auf der Internetseite The outlaw ocean haben sich Musiker, die mit ihren Tracks Bewusstsein für die Kriminalität am Meer wecken wollen, vom Buch inspirieren lassen - ein eindrucksvolles musikalisches Zeitdokument.

Fischerboot

Taiwanesisches Fischerboot vor südafrikanischen Gewässern

APA/AFP/MARCO LONGARI

In einem Soundarchiv der Webseite finden sich auch Audioaufnahmen von den Reisen des Journalisten: Salven von Maschinengewehren in Somalia, die Gesänge von kambodschanischen Deckarbeitern auf einem Fischereischiff im südchinesischen Meer oder Interviewpassagen wie etwa von John Kerry, der als Außenminister zum Thema vor den Vereinten Nationen sprach, verwoben Musikerinnen und Musiker aus aller Welt mit ihrer Musik unterschiedlichster Genres.

50 Prozent der Einnahmen von theoutlawoceanmusic.com fließt in die Unterstützung der NGO, die Ian Urbina gegründet hat, um mit seinem Team mehr zu Meereskriminalität zu veröffentlichen, die anderen 50 Prozent bekommen die MusikerInnen.

Zu tun hat er noch eine Weile: Meeresschutzabkommen scheitern regelmäßig, unser Handel basiert nach wie vor auf der Ausbeutung von Arbeit und Natur und das Rennen um die Ressource Mangan am Meeresboden beginnt gerade.

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