Igor Levit

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Corona

Quälender Protest - Igor Levits Klavier-Marathon

Nach fast 16 Stunden hat der Pianist Igor Levit am Sonntag seinen Klavier-Marathon vollbracht und das Werk "Vexations" (etwa Quälereien) des französischen Komponisten Erik Satie mit seinen 840 Wiederholungen beendet. Das Werk passt auf eine Notenseite, hat aber 840 Wiederholungen. Mit seiner Aufführung wolle er auf die Notlage der Musiker angesichts der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie aufmerksam machen, hatte Levit zu Beginn seiner Aktion erklärt.

Am frühen Morgen sank Levit nach der letzten Note am Flügel in einem Berliner Studio kurz in sich zusammen, stand auf und zog sich zurück. Kurz danach schrieb er auf Twitter: "Fertig. Erledigt. Glücklich. Dankbar. Und sowas von high". Der 33-Jährige hatte die Notenblätter mit jeder einzelnen Wiederholung neben sich auf dem Flügel gestapelt. Nach dem Ende einer Wiederholung ließ er jedes einzelne Blatt auf den Boden fallen und nahm sich das nächste vor. Das Konzert wurde über mehrere Kanäle gestreamt, auch über Levits Twitter- und Instagram-Accounts.

Diese Zeit, sie ist für uns Künstler brutal - körperlich, mental, emotional. Und deswegen, glaube ich, passt dieses Werk so gut: um die Aufmerksamkeit auf den Zustand zu richten, in dem wir uns befinden.

Das hatte Levit vor Beginn seiner Aktion der Deutschen Presse-Agentur gesagt.

"Sehr langsam"

Satie (1866-1925) hat das Werk Ende des 19. Jahrhunderts komponiert. Eine deutliche Melodie ist in dem atonalen Werk auf Anhieb nicht zu erkennen, der französische Komponist hat als Tempo "sehr langsam" angegeben. Das Stück besteht aus drei Notenzeilen, die ein musikalisches Thema variieren. "Vexations" gilt als einer der längsten Kompositionen der Musikgeschichte. Uraufgeführt wurde es 1963 in New York unter Federführung des Komponisten John Cage.

Das Werk sei in seiner Monotonie und Grenzwertigkeit wie "ein stummer Schrei", hatte Levit gesagt. Auf die "körperliche und mentale Grenzerfahrung" der Aufführung habe er sich nicht besonders vorbereitet. Er sei bisher nie länger als zweieinhalb Stunden am Klavier gesessen.

In den vergangenen Wochen hatte Levit Dutzende "Hauskonzerte" gestreamt und war auch zu einer Aufführung vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auf Schloss Bellevue eingeladen worden.

Levit gilt als einer der bedeutendsten Pianisten der jüngeren Generation. Er wurde 1987 im russischen Nizhni Nowgorod geboren, und zog mit acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland, wo er an der Musikhochschule Hannover studierte.

Levit in Wien

Ganz real und deutlich kürzer zu erleben ist Igor Levit am 5. und 6. Juni im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses mit den Symphonikern. An beiden Tagen prägt der Pianist mit je zwei Konzerten den offiziellen Wiedereinstieg der Klassikinstitution ins Kulturleben nach den mit Freitag, 29. Mai, in Kraft getretenen Lockerungen mit. Während das Orchester auch Edvard Griegs Suite "Aus Holbergs Zeit" und die Ouvertüre zu Mozarts "Schauspieldirektor" spielt, gestaltet man zusammen das Klavierkonzert KV 385 des Salzburgers.

Levit in Ö1

Zuletzt war Igor Levit in Ö1 in der Sendung "Du holde Kunst", die Gedichten von Erich Kästner gewidmet war, am 24. Mai zu hören. Das Stück trägt den bezeichnenden Titel "The people united will never be defeated!" von Frederic Rzewski.

Text: dpa/APA/Red.