Graffiti mit dem Schriftzug "Ich glaub an dich - irgendwie"

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Zwinker, Zwinker

Verdammte Ironie

Ich könnte diese Folge von "Lord Nylons Schlüsseldienst" auch Bekenntnisse eines Zwangsironikers nennen. Der Aufklärer Samuel Johnson sagte, er würde für einen guten Witz seine Großmutter verkaufen. Und ich verrate lieber gar nicht, was ich alles für meine smartlippige Göttin, die Ironie, opfern würde.

Lord Nylons Schlüsseldienst: Verdammte Ironie

Was ich auf jeden Fall sofort zu opfern bereit bin, ist die vorherrschende Verwendung von Ironie, als das Fang-mich-wenn-du-kannst-Spiel derer, die sich auf nichts festlegen wollen, weil sie gar nie eine Position hatten, die sie überhaupt ironisieren könnten. Die facebookkompatible Instant-Ironie derer, die glauben, ein Zwinker-Emoticon mache ihre Sätze zu Aphorismen und selbstverarschende Gelassenheit würde die Spur zu ihrer Eitelkeit verwischen. Nein, nein, wir durchschauen euch.

Und doch, liebe Ironie, bist du die Königinnendisziplin. Der sicherste Ausweis spielerischer Intelligenz. Kein Wunder, dass die bedauernswertesten Kreaturen auf dieser Erde - Fanatiker, Puritaner, Furzklemmer, Korinthenkacker, Vorarlberger und Positivisten - dich nicht besitzen und auch nicht sonderlich mögen. Du hast die göttliche Potenz, die Wahrheit aus zu engen Kategorien zu befreien und das Pathos des Ernsts der Selbstgefälligkeit zu überführen. Und doch bist du fehl am Platz, wo Ernst geboten ist. Und doch lässt sich mit dir Überlegenheit vorgaukeln, ohne ihren Beweis erbringen zu müssen.

Jene Ironie, die ich heute denunzieren will, ist eine recht gebräuchliche neoliberale Strategie, mit der das überforderte Selbst so tut, als könne es jederzeit in ein Feld springen, wo man es nicht fangen kann. Das will es dann als geistige Flexibilität verkaufen.

Was bleibt Menschen, die ihre Welt nicht mehr verstehen, aber nicht als Idioten dastehen wollen, als die Ironie? Was bleibt Menschen, die nicht Herren im eigenen Haus sind, als Diener zu spielen, die sich als Herren verkleiden, um sich und die anderen darüber hinwegzutäuschen, dass sie objektiv eigentlich - tja, nichts als Diener sind. Was bleibt dem Sklaven, ... das Narbengeflecht auf seinem Rücken - zwinker, zwinker - als Jugendstilornament auszugeben und den Plantagenbesitzer - zwinker, zwinker - als das eigentliche Opfer, nämlich das des - zwinker, zwinker - sinkenden Baumwollpreises und der Plantagenbesitzerin zwinker zwinker. Ho ho!

Denn - peek a boo - du siehst mich nicht - vielleicht ist nichts so, wie es scheint, und alles so komplex, und Gott sei Dank hab ich diesen coolen Humor, der sich alle Optionen offen hält. Außer derjenigen Option, die mich mit einer überhaupt nicht komplexen, sondern beschämend einfachen Realität verbindet, nämlich ... dass ich mir meine Lohnarbeit, meine Nationalität und andere Bevormundungen nicht ausgesucht habe.

Ironie ist, wenn man trotzdem schmunzelt. Sie will die eigene Ohnmacht in Macht verwandeln, indem sie sie zugibt. Sie gibt vor, alles durchschaut zu haben, aber nichts verändern zu können, und macht sich selbst darüber noch lustig.

Ironie in diesem Sinn ist dann das smarte, selbstzufriedene Brummen des im Schlamm der Verhältnisse steckengebliebenen Erkenntnismotors.

Und jetzt die Lösung: Was jetzt, Lord Nylon, du postmoderner Stutzer, selbst in deiner Ironiekritik legst du dich nicht fest. Ist jetzt doch der realistische Ernst der verspielten Ironie vorzuziehen? Bekenn endlich Farbe, Mann!

So wie es doofen und klugen Ernst gibt, so gibt es auch dumme und kluge Ironie, und so muss man mit vielen Gegensatzpaaren verfahren, und sie mit dem Samuraischwert der Erkenntnisder Quere nach, also horizontal durchschlitzen. Aber wo soll man das Schwert ansetzen? Nichts einfacher als das: Doof und verwerflich ist alles, was sich mit dem schlechten Status quo abfindet, ihn verdrängt, ihn unterstützt.

Urleiwand ist alles, was ihn foppt, beim Namen nennt, ihn an den Haaren zieht, und wenn’s sein muss, die Innereien extrahiert. Ohne Narkose! Ich weiß, ich weiß, da gibt es eine große Schnittmenge, aber hat euch Lord Nylon je versprochen, dass es einfach wird.

Wäre ich der Sultan von Österreich, würde ich dekretieren: Ernst sein soll nur dürfen, wer seine Ironiefähigkeit bewiesen hat, und die Instant-Ironiker soll man permanent in Realitäten schubsen, wo ihnen ihre Fertigteil-Ironie vergeht. Dies aber kann durchaus mit Ironie passieren.

Unter uns, ich liebe Ironie. Wäre die Ironie, ich meine die gute, die begehrenswerte Ironie, wäre die Ironie ein Mensch, ich würde nonstop mit ihr Sex haben wollen, guten alten Gorillasex. Wäre der Ernst der politischen Vernunft aber ein Mensch, ich würde ihm die Bruderhand reichen, ihm scharf in die Augen blicken und sagen: Hey Junge, ich finde es total wichtig, dass es dich gibt, aber du entschuldigst mich, ich habe ein wichtiges Rendezvous.

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