Dirk Stermann und Christoph Grissemann

UDO LEITNER

Radiogeschichten

Stermann und Grissemann - Zwei Klassiker lesen Weltliteratur

Literatur im Radio – das ist normalerweise eine schöne Stimme aus dem schalltoten Studio. Dass es auch anders geht, beweisen die beiden Satiriker Dirk Stermann und Christoph Grissemann.

Für Ö1 hatten sich die beiden vor zehn Jahren bereit erklärt im RadioKulturhaus vor Publikum und mit musikalischer Begleitung aus „Klassikern der Weltliteratur“ zu lesen - allerdings unter dem Titel „Zwei Klassiker lesen Weltliteratur“.

Und schon das deutete darauf hin, dass es die beiden Herren gut, aber nicht ganz ernst meinten. "Alles ist Literatur. Dazu zählen natürlich auch Abschiedsbriefe und kleine Notizen auf Klopapier", meint Dirk Stermann. Und Christoph Grissemann ergänzt, "Als Weltliteratur wird wahrscheinlich das bezeichnet, wenn Bücher in mehrere Sprachen übersetzt werden."

„Alles, was auf der Welt geschrieben wird ist Weltliteratur.“ Dirk Stermann

Umrahmt oder eingerahmt wurden die Solo- und Doppellesungen von Stermann und Grissemann von musikalischen Begleitern der beiden.

"Ich, der ja auch schon ein Buch geschrieben hat, bin es wahrscheinlich nicht, weil mein Buch nur in Niederösterreich raus gekommen ist". Christoph Grissemann

Die „Radiogeschichten“ bringen vom 8.-12. Juni jeweils um 11.05 Uhr Ausschnitte dieser Veranstaltungsreihe des Radiokulturhauses, am 8.6. eröffnet Weltliteratur aus dem zaristischen Russland des 19. Jahrhunderts diese Reihe – mit einem surrealistischen Prosastück über einen Körperteil eines 37jährigen „Kollegienassessors“.

"Es geht um Gogol. Er wurde 1809 geboren, war klein, krumm gewachsen und dünn. Gogol hatte schlechte Haut und eine übermäßig lange, spitze Nase. Seine Zeitgenossen rätselten über sein mürrisches, konzentriertes, düsteres und krankes Wesen. Er starb mit 42 Jahren an den Folgen streng religiösen fastens", erklärt Dirk Stermann.

In der zweiten Folge, am Dienstag, 9.6., steht Surreales und Märchenhaftes aus „Greater Britain“ auf dem Programm, u.a. die Erzählung „Die Debütantin“ von Leonora Carrington. Leonora Carrington war Schriftstellerin und bildende Künstlerin, aufgewachsen in einer britischen Upper Class-Familie floh sie 1937 zwanzigjährig nach Paris, stellt ihre Werke bei der legendären Surrealisten Ausstellung aus, lebte einige Jahre mit Max Ernst zusammen, flüchtete 1940 nach der Besetzung Frankreichs zunächst nach Spanien, dann in die USA und schließlich nach Mexiko.

Die Erzählung „Die Debütantin“ lässt erahnen, wie es Leonora Carrington als Kind einer Upperclass-Familie ergangen sein muss.

"Zweck meiner täglichen Besuche im Zoo, war es den Menschen zu entfliehen. Das Tier, das ich am Besten kannte war eine junge Hyäne. Sie war überaus intelligent, ich bracht ihr Französisch bei, und sie lehrte mich dafür ihre eigene Sprache."

Etwas sanfter hört sich Oscar Wildes Einschätzung der vornehmen britischen Gesellschaft an, zumindest in seinem Märchen „Der Modell-Millionär“.

Oscar Wildes, 1887 erschienene Kurzgeschichte thematisiert Fragen der Moral und Klassenzugehörigkeit und der Bedeutung der Schönheit und Reichtum und das alles humorvoll, ironisch und manchmal - unvermeidbar - sarkastisch.

"Solange man nicht wohlhabend ist, hat es keinen Sinn ein charmanter, junger Mann zu sein. Poesie und Romantik sind das Privileg der Reichen, nicht die Betätigung der Unbemittelten. Der Arme soll praktisch und prosaisch sein. Es ist besser ein sicheres Einkommen zu haben, als faszinierend zu sein. Dies sind die großen Wahrheiten modernen Lebens."

"Lies einfach so, wie ich es dir aufgetragen habe, Deutscher". Chrisoph Grissemann

Am Mittwoch, den 10. Juni widmen sich die beiden Klassiker Texten und Gedichten von deutschen Autoren und am Freitag, den 12. Juni steht „Österreich“ auf dem Programm. Ein Heimspiel für Christoph Grissemann. Der Abend beginnt mit Helmuth Qualtingers Buch "Das letzte Lokal". Dirk Stermann liest die Regieanweisungen und Grissemann meint dazu: "Was sonst."

"Wir werden ein bissl was auf Wienerisch lesen, vielleicht das eine oder andere Stückerle auf Tirolerisch".