Neil Young bei einem Konzert 2016 auf der Bug Klam

APA/DRAXLER HANNES

Homegrown

Neil Youngs unentdecktes Juwel

Eigentlich wollte Neil Young seinen Fans am Tag der unabhängigen Plattengeschäfte, dem internationalen "Record Store Day", eine besondere Freude machen und sein lang verschollenes Album "Homegrown" mit ihnen teilen. Nun ist der "Record Store Day" zumindest verschoben und Young entschied sich für eine "gewöhnliche" Veröffentlichung - ein Wort das bei diesem Album allerdings kaum unpassender sein könnte. Lange wurde "Homegrown" in Fankreisen als unentdecktes Juwel verehrt - zwölf Lieder finden sich auf dem 1975 aufgenommenen Werk, dessen Geschichte ebenso interessant ist wie die Musik, die es enthält.

Es wäre doch noch Zeit, singt Neil Young im Lied "Try ". Es liegt Hoffnung in diesen Zeilen - noch gibt er nicht auf. Sieben der zwölf Songs von "Homegrown" waren bislang nirgendwo zu hören. "Try" ist einer davon. Youngs spätere Bandmitglieder, Schlagzeuger Levon Helm, Gitarrist Ben Keith und Bassist Tim Drummond, legen den unaufdringlichen Teppich im Hintergrund. Emmylou Harris verleiht dem Bitten zusätzliche Wärme.

Ehe aus. Album weg.

Doch es hilft alles nichts. Youngs Ehe mit der Schauspielerin Carrie Snodgress ist am Ende. Die Muse seines Hit-Albums "Harvest" - Vergangenheit. Dasselbe Schicksal erleidet dann auch das Album, das Young im Zuge der Trennung schrieb und im Dezember 1974 aufzunehmen begann. Damals erzählte der Kanadier dem "Rolling Stone": "Ich bin mir sicher, dass Teile von ‚Homegrown‘ auf anderen Alben erscheinen werden. Es gibt da wirklich schöne Sachen bei denen Emmylou Harris Harmonien singt. Diese Platte entspricht wohl eher dem, was die Leute von mir derzeit erwarten - aber es war einfach ein sehr niederschmetterndes Album."

"Die dunkle Seite von 'Harvest'"

Young sollte Recht behalten. Einzelne "Homegrown"-Songs sind tatsächlich später auf anderen Alben aufgetaucht. Als geballte Einheit und mit ihrer ursprünglichen Wucht gibt es "Homegrown" aber nun erstmals zu erleben. "Homegrown war die dunklere Seite von 'Harvest'", meinte Young damals zum "Rolling Stone". "Viele der Songs hatten mit der Trennung von meiner Frau zu tun. Es war ein bisschen zu persönlich … es hat mir Angst gemacht."

Ein analoges Vergnügen

Auch bei "Homegrown" arbeitete Young mit Produzent John Hanlon zusammen. Seit 1983 sind die beiden ein Team und diesmal bildeten sie eine "Achse des Analogen". Entgegen allen Warnungen, dass die Original-Bänder zu verschmutzt wären, restaurierten die beiden das Material und stellten die Platte rein analog ganz genau so her, wie Young es seit dem Beginn seiner Karriere kennt. Youngs Fazit: "‘Homegrown‘ ist eine Platte aus der Mitte der 70er Jahre und sie klingt verdammt toll auf Vinyl - so wie es sein soll."

Nur drei Jahre nach der Veröffentlichung des ebenfalls zurückgehaltenen Albums "Hitchhiker" aus dem Jahr 1976 lässt "Homegrown" nun die unbändige Kreativität des Kanadiers in dieser Zeit noch deutlicher erahnen. Drei weitere Studioalben aus dem 70ern kündigte Young bereits an. Einer der produktivsten Köpfe des Pop mutiert also gerade in einen der engagiertesten Archivare.

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