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Teddy Podgorski - eine Annäherung
Er hat die Geschichte der Zweiten Republik nicht nur erlebt, sondern aktiv - und proaktiv - mitgestaltet: Teddy Podgorski, Fernsehpionier und Rundfunkmacher, Schauspieler u.a. bei den Salzburger Festspielen, als Regisseur und Autor, Flieger, Reiter, Radrennfahrer, Amateurboxer und lebenslanger Liebhaber englischer Oldtimer. Am 19. Juli feiert der rastlose "Universaldilettant" seinen 85. Geburtstag.
14. August 2020, 02:00
ORF
"Wo ich politisch steh?" Teddy Podgorski wiegt den Kopf hin und her. "Gar nicht so einfach zu sagen. Mit so einer Frage wollen die Leute einen ja immer irgendwie einkasteln. Aber...
Am ehesten bin ich wahrscheinlich eine Art Arbeiterpriester.
Eine Art Arbeiterpriester? Das muss der Radio- und Fernsehmacher aber erklären. "Na ja, es im Grunde ist es ganz einfach", sagt Podgorski: "Zum einen bin ich Katholik, als Stiftsgymnasiast in Admont habe ich die katholische Hirnwäsche genossen, so etwas wird man nicht so einfach wieder los." Zum anderen, so Podgorski, habe er immer ein Herz für die kleinen Leute gehabt. Kein Wunder, ist der 85-Jährige doch in den bitterarmen Dreißigern im Wiener Hacklerbezirk Simmering aufgewachsen.
Kind zu sein in Simmering war großartig, weil die totale Freiheit.
Unsere Adresse hat gelautet: Am Kanal 75, was einiges apostrophiert, und an diesem Kanal 75 ist unter anderem auch die Aspangbahn gefahren. Und dazwischen, zwischen unseren Häusern und der Aspangbahn, war eine kleine Straße und ansonsten Brennnesseln. Ich kann mich nur an Brennnesseln erinnern.
Ein linker Katholik also – so sieht sich Teddy Podgorski selbst, wenngleich er mit dem Katholisch-sein im Großen und Ganzen einen eher schlampigen Umgang pflegt, wie er gesteht.
Am 19. Juli feiert der frühere Generalintendant des ORF seinen 85. Geburtstag. Die Geschichte der Zweiten Republik hat der Jubilar nicht nur erlebt, sondern aktiv – und proaktiv – mitgestaltet: Teddy Podgorski, Fernsehpionier und Rundfunkmacher, Schauspieler, Regisseur und Autor, Flieger, Reiter, Radrennfahrer, Amateurboxer und lebenslanger Liebhaber englischer Oldtimer hat den Zeitläufen – auf seine Weise – seinen Stempel aufgedrückt.
Als Sohn eines polnischen KFZ-Werkmeisters ist er in Wien-Simmering und Spital am Pyhrn aufgewachsen. Als er 10 Jahre alt ist, wird er von den Eltern ins Benediktinerstift Admont gesteckt.
"Der Anfang in Admont war die Hölle, die Hölle. Lauter schwarze Gestalten, die meistens betend herumgegangen sind, die nicht geredet haben, wenn man sie angeredet hat, oft nicht geantwortet haben, weil sie gerade den Rosenkranz im Mund gehabt haben, also wörtlich! ..."
Mit 18 heuert Podgorski beim amerikanischen Besatzungssender "Rot-Weiß-Rot" in Wien an, mit 20 wechselt er zum neugegründeten "Österreichischen Rundfunk".
Das Toilettenpapier wurde einmal pro Woche an die Fixangestellten ausgegeben.
"Im Wiener Funkhaus in den 1950er Jahren öffnete sich mir eine Harry-Potter-Welt der Dreißigerjahre", erinnert sich Podgorski: "Alle Angestellten trugen weiße Arbeitsmäntel und waren über 40 Jahre alt. Einige waren treue Diener des Regimes gewesen, sei es bei der Heimwehr, wie der amtierende Direktor Henz, oder bei der NSDAP, oder bei beiden. Im ganzen Haus gab es kein Toilettenpapier. Das wurde nur einmal pro Woche an die Fixangestellten ausgegeben."
Wie die "Zeit im Bild" zu ihrem Namen kam
"Wissen`s was, können Sie einen Film schneiden, können`s das?" Sag ich: "Na klar, klar kann ich einen Film schneiden." - "Und können`s einen Film mit Text?" - "Na, nichts was ich lieber täte!" Denk mir, na, ich werd‘s schon irgendwie hinkriegen. Sagt er: "Na passen‘s auf: Wir wollen da eine Sendung machen, so wie eine Wochenschau, aber aktueller. Und kommen's morgen wieder und denken`s nach, vielleicht fällt ihnen für die Sendung ein Titel ein.
Trotz der widrigen äußeren Umstände – und manch eines Rückschlags – machte Podgorski eine große Karriere im ORF. Er wurde Erfinder und Gründungsredakteur der "Zeit im Bild", später kreierte er eine Reihe weiterer Erfolgsformate – legendäre Fernsehsendungen wie "Panorama", "Seinerzeit" und "Jolly Joker", später, als ORF-Generalintendant ab 1986, ging die Einführung von Sendereihen wie "Universum", "Seitenblicke" und "Heimat, fremde Heimat" auf seine Initiative zurück.
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1969
Teddy Podgorski hat eine Menge erlebt in seinem 85-jährigen Leben – als innovativer Medienmacher und Hansdampf in allen journalistischen Gassen. Und er hat viele spannende und originelle Menschen getroffen: von Helmut Qualtinger bis zu seinem langjährigen Intimfeind Gerd Bacher, der innerhalb von dreißig Jahren fünf Mal zum Generalintendanten des ORF gewählt wurde. Podgorski ist Bacher bis heute in herzlicher Abneigung verbunden. "Die Leistungen von Gerd Bacher werden ja zu Recht sehr gewürdigt, aber ich glaube, der Bacher war im tiefsten Herzen von seinem Genie überzeugt", erinnert sich Podgorksi. "Außerdem war er elitär: Genagelte Schuhe und Maßanzüge, das war das Mindeste, was man haben musste, damit er einen ernst nahm. Zudem war er ein Verächter der kleinen Leute."
Und weil Podgorski so etwas nicht mag, war der sogenannte "Tiger" ein natürlicher Antagonist des Fernseh-Kreativen.
APA/dpa/Uwe Zucchi
Von seinen Begegnungen mit Freund/innen, Feind/innen und Kolleg/innen erzählt Podgorski in diesem Feature. Außerdem offenbart er das Familien-Geheimrezept seiner polnischen Leibspeise: Bigos.
So bereitet Teddy Podgorski sein Bigos zu
"Bigos ist eine Leibspeise von mir, und zwar deshalb, weil mein Vater, der Pole war, das polnische Nationalgericht von Zeit zu Zeit gekocht hat.
Also, man nehme ein Krauthäupl, ein riesiges Weißkraut-Häupl, und schneide es. Das ist die unangenehmste Arbeit. Sehr fein soll das Kraut eh nicht geschnitten werden, es kann ruhig breiter geschnitten werden, aber nicht so fein wie ein Krautsalat.
Dann gehören zu einem Bigos natürlich Zwiebel. Man hacke zwei große Zwiebeln fein und vermische sie mit dem Kraut und einer kräftigen Prise Zucker. Jetzt kommt das Fleisch dazu. Bigos ist eigentlich ein Restlessen, man kann im Grunde alle Arten von Fleisch nehmen, Kalbfleisch, Rindfleisch, Schweinefleisch, alles Mögliche. Nur Hendl ist verboten und Wild natürlich auch. Das Fleisch braten wir in einer Pfanne fest an, und wenn’s schön angeröstet ist, löschen wir es mit Weißwein und Suppe ab. Dann wird das Fleisch gedünstet, und zwar lange, man kann so ein Bigosfleisch gar nicht lange genug dünsten. Je weicher das Fleisch wird, umso besser.
Gewürzt wird das Fleisch mit Salz und Pfeffer, man kann, wenn man will, auch eine Spur Chilli hinzugeben, bitte ohne Kerne und fein geschnitten, und wenn das Fleisch fertig gedünstet ist, geben wir das Kraut mit den Zwiebeln und dem Zucker dazu und dünsten jetzt alles gemeinsam weich.
Zusätzlich kann man noch etwas Geschmack ins Bigos bringen, wenn man geselchte Würstel kleinschneidet oder geselchte Ripperl dazu gibt. Das macht die Sache deutlich markanter.
Und dann wird das Bigos gegessen. Man klatscht es mit einem Schöpfer in einen Suppenteller und gibt - das ist Pflicht - einen Löffel Sauerrahm oben drauf. Man kann auch noch etwas gehackte Petersilie dazugeben. Am besten isst man das Bigos mit einem Stück Schwarzbrot. Es ist ja eine Arme-Leute-Essen, aber eine reichhaltige Form von Arme-Leute-Essen."
Gestaltung:Günter Kaindlstorfer