Kunsthaus Wien mit Bäumen am Dach.

EVA KETELY

Das Objekt der Begierde

Kunst Haus Wien

Wissen Sie, was ein Baummieter ist? Ein Baum, der zur Miete wohnt. Der seine Wurzeln in einem Haus hat und den ganzen Tag nichts tut, als aus dem Fenster zu schauen. Miete zahlt er trotzdem. Er produziert Sauerstoff, dämpft den Lärm der Großstadt mit seinem Blätterwerk, filtert den Staub aus der Luft. Gibt den Menschen Farbe und Lebensfreude zurück, die sie in ihren tristen Wohnblocks und grauen Häuserschluchten verloren haben.

Die Baummieter waren ein Konzept des Wiener Künstlers Friedensreich Hundertwasser, bereits in den frühen 1970er Jahren schrieb er ein eine detaillierte Bauanleitung anlässlich der Triennale in Mailand. Zunächst einmal muss man das Fensterglas herausnehmen.

„Ein Meter dahinter eine neue Fensterwand errichten, die abgeschlossen ist auch rechts und links, so dass sich so etwas ergibt, wie ein Glaskasten, den man vor das Fenster schiebt“, erklärte Hundertwasser in einem Ö1 Interview von 1984. „Und in diesem Zwischenraum zwischen Außenmauer und neuem Fenster, das einen Meter weiter zurück liegt, stellt man einen wasserdichten Behälter auf und das füllt man mit Erde an, also gartentechnisch, wie es sein soll, mit Überlauf, und so weiter.“

Ausstellungsansicht der Sammlung.

THOMAS MEYER

Der Baummieter ist das Objekt der Begierde im Kunst Haus Wien. Hier, an der Unteren Weißgerberstraße, wachsen Linden, Buchen und Rotbuchen aus den Fenstern. 8 Baummieter hat das Kunst Haus Wien. Entworfen und eröffnet hat das Haus Friedensreich Hundertwasser 1991. Im Inneren präsentiert es die größte Dauerausstellung über den Künstler und Visionär selbst, aber auch internationale Wechselausstellungen mit Schwerpunkt Fotografie.

In der Atelierwohnung im Obergeschoss hat Hundertwasser auch gewohnt, auf extra schiefem Fußboden und mit einer Inneneinrichtung, die an eine Schiffskoje erinnert. Heute sind die einzigen Mieter Bäume, und ab und zu ein Artist in resident.

Neben seiner bekannten bunten und ungeraden Art des Bauens war Hundertwasser auch ein Umweltaktivist und Vorreiter der städtischen Begrünung. Er engagierte sich bei der Aubesetzung im niederösterreichischen Stopfenreuth, pflanzte 100.0000 Bäume in Neuseeland und dachte sich Fassadenbegrünungen aus, als es die noch gar nicht gab.

Für sein Kunst Haus konzipierte er auch eine Dachbegrünung: „Ich möchte da wirklich rigoros und kompromisslos das Dach begrünen und bewalden und zwar in einer Weise, dass man, wenn man von oben, aus der Vogelperspektive auf das Haus sieht, dass man es eigentlich nicht sieht, weil alles grün ist.“, erklärte er einst.

Der Plan ging auf. Wer heute auf dem Dach des Kunst Haus steht, wähnt sich in einem kleinen Park. Apfel- und Birnbaum, Linde, Eiche, Ginko, sogar Bienenstöcke gibt es hier. Viele der Bäume hat Friedensreich Hundertwasser noch selbst gepflanzt.

Das Kunsthaus wurde 2018 mit dem österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet und es bezeichnet sich als Wiens erstes grünes Museum. Nicht nur wegen der Baummieter. Man achtet auch im Museumsalltag auf den ökologischen Fußabdruck und lädt vor allem Künstlerinnen ein, die sich mit Nachhaltigkeit oder Klimawandel auseinandersetzen. Oben auf dem Dach kann man bereits Äpfel pflücken. Der hauseigene Honig wird unten im Shop verkauft. Hundertwassers Plan hat also Wurzeln geschlagen.

Gestaltung

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