Jedermann-Aufführung, 2020

APA/BARBARA GINDL

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Der Jedermann hat immer Saison

Als Geburtsstunde der Salzburger Festspiele gilt die Aufführung des „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal in der Inszenierung von Max Reinhardt am 22. August 1920. Und bis heute ist das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“, das auf der Tradition mittelalterlicher Mysterienspiele basiert, das Herzstück des Festivals.

Lust und Leben, Tod und Vergänglichkeit, Gutes und Böses, Reue und Erlösung - alles hat Platz auf dem Domplatz der alten Bischofsstadt.

Die Kunst als Lebensmittel und Lebenssinn. Das war die Überzeugung des Schauspielers und Regisseurs Max Reinhardt, einem der Gründerväter der Salzburger Festspiele. Er und der Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal gründeten vor 100 Jahren die Festspiele, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, als Zufluchtsort, als „Wallfahrtsort für die zahllosen Menschen, die sich aus dem blutigen Gräuel dieser Zeit nach den Erlösungen der Kunst sehnen“.

Gert Voss als Jedermann und Maddalena Crippa als Buhlschaft, 1995.

Gert Voss als Jedermann und Maddalena Crippa als Buhlschaft, 1995.

APA/SF

„Salzburg ist das Herz vom Herzen Europas“

In Salzburg wurde vermutlich die erste Oper nördlich der Alpen aufgeführt. Am fürsterzbischöflichen Hof spielten Musik und Theater eine große Rolle, und auch die geistlichen und weltlichen Spiele für das Volk haben lange Tradition. Seit ihrer Gründung „pilgern“ tausende Besucher und Besucherinnen zu den Aufführungen der Salzburger Festspiele, nur heuer coronavirusbedingt etwas weniger.

Nicht wenige davon besuchen das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“. Auch nach 100 Jahren ist es immer noch eine beeindruckende und schaurige Szene, wenn sich der reiche Jedermann auf dem Domplatz ängstlich umblickt, weil der Tod seinen Namen durch die Altstadt von Salzburg ruft.

„Jedermann weckt immer wieder eine neue Nachdenklichkeit auf die wahren Werte des Lebens.“

„Zur Zeit der ersten Aufführungen waren ja die großen Ordnungen zerbrochen, die Republik machte ihre ersten Gehversuche und da war das Spiel über Leben und Tod, wie leben, wie sterben, hoch aktuell“, sagt der Erzbischof von Salzburg Franz Lackner.

Ein weltliches und ein geistliches Spiel. Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" basiert auf der Tradition mittelalterlicher Mysterienspiele, insbesondere dem "Everyman", einem englischen Mysterienspiel aus dem 16. Jahrhundert. Das Wort „Mysterion“ kommt aus dem Griechischen, steht für „Geheimnis“.

Das Mysterienspiel ist eine seit Jahrhunderten praktizierte Form der Darstellung von religiösen Glaubensinhalten. Von Max Reinhardts ist aus dem Jahr 1935 der Satz überliefert: „Von den alten Mysterienspielen des Mittelalters führt eine dauernde Kette von Schaustellungen und Spielen bis in unsere Zeit“.

„Heuer ist es ein ‚Memento Mori‘, ein Gedenke des Todes"

Bis heute hat der „Jedermann“, der kurz vor seinem Tod sein ausschweifendes Leben bereut und daraufhin von Gott begnadigt wird, anscheinend nichts von seiner zeitlosen Brisanz und Aktualität eingebüßt.

Insbesonderes im Jubiläumsjahr, in dem durch die coronabedingten Einschränkungen viele Abstriche gemacht werden mussten, scheint der „Jedermann“ ein "Memento Mori" zu sein, wie die Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele Bettina Hering meint.

"Memento Mori" lässt sich auf Deutsch am besten übersetzen mit: "Gedenke des Todes", Sei dir deiner eigenen Sterblichkeit bewusst! Bettina Hering zieht eine Parallele zwischen der Spanischen Grippe vor einhundert Jahren und Covid-19 im Jahr 2020:

„100 Jahre nach einer Pandemie mit ungeheuren Ausmaßen, befinden wir uns wieder in einer Pandemie, die zwar nicht so ungeheuerliche Ausmaße hat, aber die Analogien sind frappierend.“

Mit den guten Menschen muss man vorsichtig sein, denn sie haben meistens einen Hintergedanken.“

Das Thema ist zeitlos: Im "Jedermann" treten neben Gott und Teufel auch der Tod, der Mammon, der Glaube und andere abstrakte Begriffe als Figuren auf. Der Teufel meint, Jedermanns Seele schon zu haben und mit ihr zur Hölle fahren zu können, doch sie wird ihm durch die Gnade Gottes entrissen.

Die Rolle des Teufels wurde und wird von unterschiedlichen Schauspielern in den letzten Jahrzehnten sehr unterschiedlich interpretiert. Auch Tobias Moretti hat den Teufel bereits großartig dargestellt. Er sagte damals: „Mit den guten Menschen muss man vorsichtig sein, denn sie haben meistens einen Hintergedanken.“

„Den finalsten Hintergedanken hat wahrscheinlich der Leibhaftige.“

Tobias Moretti als "Jedermann" und Gregor Bloeb als "Jedermanns guter Gesell".

Tobias Moretti als "Jedermann" und Gregor Bloeb als "Jedermanns guter Gesell".

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Heuer übernimmt die Rolle des Teufels wieder sein Bruder Gregor Bloeb. Tobias Moretti ist „Jedermann“ und sagt: „Die Essenz hat sehr, sehr viel zu sagen. Unabhängig von dem Phänomen Jedermann und Salzburg.“

Die Essenz, das ist das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ vor der Kulisse des Salzburger Doms: während der Zeit der Corona-Pandemie gewinnt es heuer als „Memento Mori“ zudem an Aktualität.

Gestaltung: Maria Harmer/red.