
JÜDISCHES MUSEUM HOHENEMS
Das Objekt der Begierde
Jüdisches Museum Hohenems
Im Jüdischen Museum in der Vorarlberger Stadt Hohenems befindet sich in einem der vielen Schaukästen eine Lederhose. Sie ist einfach gefertigt, wirkt unscheinbar und ist mit einem Hirsch-Emblem versehen. Ihr ist anzusehen, dass sie bereits oft getragen wurde.
1. September 2020, 14:50
Jüdisches Museum Hohenems
Villa Heimann-Rosenthal, Schweizer Str. 5, 6845 Hohenems
Objekt: Lederhose des letzten Hohenemser Kantors Harry Weil
Die Lederhose gehörte einst Harry Weil. Der 1898 geborene Hohenemser ging gerne in die Berge. Erhaltene Familienfotografien zeugen von Ausflügen in der Lederhose. Wie sein Vater war auch Harry Weil Kantor, also Vorsänger und Vorbeter in der jüdischen Gemeinde. Außerdem engagierte er sich in lokalen Theater- und Musikvereinen und gründete 1924 den Hohenemser Arbeitergesangsverein "Nibelungenhort".
Fluchthelfer und Flüchtling
Mehreren Hohenemsern verhalf Harry Weil über den Rhein zur Flucht in die Schweiz. Im Juni 1938 musste er selbst emigrieren. Ein Jahr später schaffte er es, mit seiner katholischen Frau, mit seinem Kind - und der Lederhose im Gepäck - weiter in die USA. Später wurde er dort Vertreter für Vorarlberger Schmelzkäse der Firma Rupp.
Harry Weil war bis zu seiner Emigration ein äußerst aktives Mitglied der Gemeinde und pflegte auch danach noch enge Kontakte zu Hohenems. Vergeblich versuchte Weil nach dem Krieg, Restitutionsanträge für sich und andere Überlebende zu stellen. Mit der dreisten Begründung, er sei 1938 ja "freiwillig ausgereist", wurde sein Ansuchen abgelehnt.

JÜDISCHES MUSEUM HOHENEMS
London, Paris, Triest - und Hohenems
Im 17. Jahrhundert wurden in der damaligen Reichsgrafschaft Hohenems gezielt Juden angesiedelt. So entstand dort bis ins 18. Jahrhundert hinein eine große, jüdische Gemeinde. Durch Heirats- und Migrationsnetzwerke war sie mit den großen, europäischen Metropolen eng verbunden. "Das brachte urbane Kultur in diesen recht kleinen Ort", so Hanno Loewy, der Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
Wohlhabendere Familien der jüdischen Gemeinde lebten in Hohenems einst vom internationalen Textilhandel. So auch die Familie Heimann-Rosenthal, in deren 1864 erbauten Villa sich seit 1991 das Jüdische Museum Hohenems befindet. Seit 17 Jahren wird es vom Frankfurter Publizisten und Literatur- und Filmwissenschaftler Hanno Loewy geleitet. Es versteht sich als Zentrum für Geschichte und Gegenwart.
Service
Hohenems Genealogie - Jüdische Familiengeschichte in Vorarlberg und Tirol