Qurinsche Schlauchkiste

CHRISTIAN FREYDL

Das Objekt der Begierde

Steirisches Feuerwehrmuseum Groß St. Florian

"Wir befinden uns im ehemaligen Markushof, das war früher ein Verwaltungsgebäude der Kirche. Später ging es in Privatbesitz über und beherbergte unterschiedliche Gewerbebetriebe. Zuletzt war hier ein Pferdehändler, der aber keine Nachkommen hier vor Ort, und so wurde das Haus an den 1988 gegründeten Verein 'Steirisches Feuerwehrmuseum' verkauft", erklärt Katrin Knaß-Roßmann. Die Kulturanthropologin leitet gemeinsam mit Anja Weisi Michelitsch das Steirische Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur in Groß St. Florian.

Mit einer Inneneinrichtung vom Wiener Architekturbüro Eichinger oder Knechtl wurde das Steirische Feuerwehrmuseum 1995 eröffnet; am ersten September-Wochenende 2020 begeht man in kleinem Rahmen sein 25-jähriges Bestehen und das 150-jährige Bestehen des Landesfeuerwehrverbandes. Ab 6. September ist dann die Sonderausstellung zu den beiden Jubiläen zu sehen.

Helme als Sammlungsschwerpunkt

In der Dauerausstellung gezeigt werden historische Objekte, Landfahrspritzen, Kupplungen, Strahlrohre, pferdegezogene Löschvehikel und jede Menge Helme aus aller Welt. Man wird informiert über die Brandbekämpfung im Mittelalter, über die Entwicklung der ersten Freiwilligen Feuerwehren aus Turnvereinen und über das erweitere Aufgabenfeld der Freiwilligen Feuerwehr der Gegenwart. Denn heute stellt die Brandbekämpfung nur einen geringfügigen Teil der Arbeit dar - vorwiegend sind es technische Einsätze und Katastrophenhilfe, etwa nach Unwettern oder Überschwemmungen.

Die Sammlung umfasst etwa 3.600 historische Objekte; sie wurden von engagierten Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr aus der ganzen Steiermark eingebracht, erklärt Knaß-Roßmann: "Es gibt gottseidank in vielen freiwilligen Feuerwehren ein paar engagierte Mitglieder, die sich auch für Geschichte interessieren und Obacht darüber haben, wenn Gerätschaften aussortiert werden. Vor allem in den letzten Jahren, kommt mir vor, ist ein Bewusstsein für das Historische aufgekommen, da viele, wenn sie neue Rüsthäuser bauen, kleine Ausstellungen mit historischen Exponaten einrichten. Dadurch ist gesichert, dass Objekte erhalten bleiben, wenn sie nicht mehr in Gebrauch sind."

Innovative Löschbehelfe

Ein für das Museum in Groß St. Florian überaus engagierter Feuerwehrmann war Erich Pizzera, durch den unter anderem unser "Objekt der Begierde" in das Museum gelangte: die Qurinsche Schlauchkiste. Sie befindet sich im dem Löschwesen und dem Atemschutz gewidmeten Raum. Es handelt sich um eine gewöhnliche Kiste ohne Deckel, etwa in der Größe eines Bananenkartons, deren Wand bis auf zwei schmale seitliche Leisten herausgeschnitten ist.

An der gegenüberliegenden Wand sind Tragegurte befestigt, mit denen die Kiste wie ein Rucksack geschultert werden kann. In der Kiste selbst werden 60 bis 80 Meter Rohhanfschlauch in Falten gelegt. Der an eine Wasserstelle befestigte Schlauch wickelt sich - wenn die Trägerin auf die Brandstelle zuläuft - von selbst aus, ohne dass er einen Knick bekommt und der Wasserdurchlauf unterbrochen wäre. "Der Vorteil ist, dass eine Person alleine nun so viel Schlauch auslegen kann, ohne Einsatz der Hände, wie zuvor zwei Männer gemeinsam", so Knaß-Roßmann über diese Innovation.

Der Einheitsfeuerwehrmann

Benannt ist die Schlauchkiste nach ihrem Erfinder, dem Grazer Branddirektor Theophil Qurin (1864-1942), der danach strebte, die Effizienz und Sicherheit der Feuerwehr mit einfachen Mitteln zu verbessern. Außer seinen praktischen Erfindungen brachte er auch strukturelle Innovationen ins Steirische Feuerwehrwesen ein, etwa die Gründung der Feuerwehrschule in Graz oder die Einführung des sogenannten Einheitsfeuerwehrmanns. Was das ist, erklärt die Museumsleiterin: "Früher, wenn man zur Feuerwehr gekommen ist, konnte man sich aussuchen, welchen Dienst man verrichtet. Es gab die Steiger, also jene Personen, die direkt an den Brandherd herangehen. Es gab einen eigenen Maschinisten oder Gerätewart, der mit der Landfahrspritze gefahren ist.

Bei den Dampfspritzen wiederum gab es einen eigenen Einheizer. Es gab Hornisten, die Signale gegeben haben, ob 'Brand aus' oder 'Rückzug'. Sie alle waren aber nur speziell für die eine Aufgabe ausgebildet - ein Hornist konnte nur die Funktion des Hornisten ausüben, und der Steiger nur jene des Steigers. Da konnte es schon vorkommen, dass bei einem Einsatz die eine oder andere Funktion nicht besetzt werden konnte. Der Einheitsfeuerwehrmann ist zu vergleichen mit einer Grundausbildung, die jeder bei der Freiwilligen Feuerwehr machen muss, um bei der Brandbekämpfung im Außenangriff tätig werden zu können."

Feuerwehrmuseum Groß St. Florian

FEUERWEHRMUSEUM GROSS ST. FLORIAN

"Feuer und Kunst - die explosive Mischung"

Neben der Geschichte und Arbeitspraxis der Freiwilligen Feuerwehr hat das Steirische Feuerwehrmuseum in Groß St. Florian ein zweites Standbein, das es auch im Namen trägt: Kunst und Kultur. Seit 1997 werden - thematisch von Brand und seiner Bekämpfung abgekoppelte - Kunstausstellungen geboten. Den Durchbruch als Kulturzentrum brachte 1999 die aus Wien übernommene Ausstellung "Rot in der Russischen Kunst", mit Werken u.a. aus der Eremitage und über 20.000 Besuchern in drei Monaten. "Dann waren wir relativ schnell als Kulturzentrum in der Steiermark bekannt. Mittlerweile ist es so, dass wir vier Sonderausstellungen im Jahr haben, und davon sind zwei kunst- und kulturspezifisch. Schön ist, dass Leute, die für die Feuerwehr ins Museum kommen, sich auch für die Kunstausstellungen interessieren, und umgekehrt das Kunstpublikum dann auch begeistert ist von der Geschichte und Entwicklung des Steirischen Feuerwehrwesens."

Wer das Museum in Groß St. Florian in der Südweststeiermark besucht, sollte auch die Kirche besichtigen. Dort ist in einem Reliquienschrein der große Zeh des Heiligen Florian, des Schutzpatrons der Feuerwehr, aufbewahrt.

Gestaltung

  • Anna Soucek

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