Katja Riemann, Oliver Masucci

BAVARIA FILMPRODUKTION

Film

"Enfant Terrible" - Fassbinders Leben

1982 starb Rainer Werner Fassbinder, einer der einflussreichsten aber auch skandalumwittertsten Filmemacher des deutschen Nachkriegskinos. In seinem neuen Film "Enfant Terrible" wirft der deutsche Regisseur Oskar Roehler einen schonungslosen Blick auf Fassbinders kompromissloses Leben, das von Drogensucht und tragischen Liebesbeziehungen bestimmt war und in dem alles der Kunst geopfert wurde.

Der Film hätte dieses Jahr beim Festival in Cannes laufen sollen, woraus covidbedingt nichts wurde. Nun läuft er in den heimischen Kinos an.

Schwarzer Hut, Spiegelbrille und Leopardenanzug. In der deutschen Filmlandschaft der 70er und 80er Jahre gab es nur einen Regisseur, der sich wie ein Rockstar in ein Leben bestimmt von "Sex, Drugs & Rock 'n' Roll" warf und das war Rainer Werner Fassbinder.

"Er hat die Gesellschaft seziert - und sich selber auch" Oskar Roehler

"Er war der einzige Künstler - vielleicht außer Joseph Beuys - für mich in Deutschland, der ein aufregendes Leben auch außerhalb der bürgerlichen Blase, in der sich die anderen befanden, geführt hat", so Oskar Roehler im ORF-Interview. Er zeigt den bis zur Selbstaufopferung arbeitenden Künstler, der aufgeputscht vom Kokain, nächtelang auf seine Schreibmaschine einhackt, gleichzeitig aber auch die Mitglieder seines Clans wie ein skrupelloser Despot tyrannisiert.

Roehler habe nicht interessiert zu postulieren, aus welchem Grund Fassbinder eine wichtige Rolle in der Filmgeschichte spielt, denn dann hätte er einen Dokumentarfilm machen müssen. "In einem Spielfilm interessierst du dich für die Tragik eines Lebens", so der Regisseur.

Künstlichkeit "bis zum Kitsch"

Dunkle Schwulenbars und ein mondänes Hotelzimmer in Cannes, nächtliche Straßen im Regen und die Wohnung, in der Fassbinder mit seinem Clan zusammenlebt. Oskar Roehler zeigt dieses Paralleluniversum als künstliche Welt. Er hat seinen Film vollständig im Studio gedreht, in teils handgemalten Kulissen, bis hin zum Kitsch, sagte Roehler, wollte er die Künstlichkeit treiben. Darin schwimmt Fassbinder, schillernd wie ein Aquariumsfisch auf der Suche nach sich selbst.

Oliver Masucci, bis 2015 im Ensemble des Wiener Burgtheaters, spielt Fassbinder und er hat sich kompromisslos in seine Figur hineinversetzt. 20 Kilo zugenommen, wenig geschlafen, vorsätzlich Raubbau am eigenen Körper betrieben, Method Acting in den Fußstapfen von Rainer Werner Fassbinder. "Man kann dem Mann nicht vorwerfen, dass er sich geschont hätte. Er hat ein Elektrodenmikroskop in seine Kommune gehalten und hat die Gesellschaft seziert - und sich selber auch", so Oskar Roehler.

Wilson Gonzales, Detlef Bothe, Jochen Schropp, Oliver Masucci, Hary Prinz, Ralf Richter

BAVARIA FILMPRODUKTION

Atemlose Achterbahnfahrt

In seinem Film "Enfant Terrible" erzählt er von Fassbinders gescheiterten Lieben, von zwei Partnern, die sich von ihm verstoßen, das Leben genommen haben, aber auch von Fassbinders größten Erfolgen - dem Preis der Filmkritiker in Cannes für "Angst essen Seele auf" und dem Goldenen Bären in Berlin für "Die Sehnsucht der Veronika Voss".

Biopic im herkömmlichen Sinne ist "Enfant Terrible" nicht und das will der Film auch gar nicht sein. Denn Roehler geht es nicht um eine lückenlose Erzählung von Fassbinders Werdegang und seiner künstlerischen Entwicklung, sondern um diese atemlose Achterbahnfahrt, die Fassbinders nur 37 Jahre kurzes Leben war. Und die erzählt er, ganz seinem Enfant terrible verpflichtet, ohne Rücksicht auf Verluste.

Gestaltung

  • Wolfgang Popp