Dachziegel des Restaurants

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Moment-Kulinarium

Chrysanthemenfisch, Drachenbällchen & Co

Die Geschichte der echten China Küche in Österreich.

Bis zur Jahrtausendwende dominierten in Österreich Chinarestaurants, die wenig inspiriert waren. Beim Chinesen ums Eck gab es vermeintlich exotische Speisen, die in erster Linie auf den europäischen Gaumen ausgerichtet waren.

Heute werden Liebhaber der chinesischen Küche in der Chinatown rund um den Wiener Naschmarkt mit authentischem Essen belohnt. Man bietet die mild würzige Küche aus Shanghai und Hongkong an, Teigtaschenkultur aus Kanton und die Küche aus Peking, die die Kulinarik des ganzen Landes widerspiegelt. Dominant ist jedoch die pikant scharfe Kochrichtung der Provinz Sichuan - und die kann sich international sehen lassen, sagen Gourmets.

Die „Grand Dame“ der Chinaküche Österreichs

Quelle dieses Sichuan-Trends ist das China Sichuan Restaurant im Donaupark. Die Volksrepublik China hat es 1989 gegründet, um die Diplomaten der nahen UNO City mit echter chinesischer Küche zu verwöhnen. Die Meisterköche kamen aus Kochschulen Sichuans - auch später, als Chunah Urban-Chao das Restaurant übernommen hat.

Die ausgebildete Pianistin und Dolmetscherin ist heute eine Art „Grand Dame“ der Chinaküche des Landes. Sie übernahm das verschuldete Restaurant unter der Bedingung, dass man ihr aus China weiterhin ausgebildete Köche schicke. Ihr Lieblingsgericht ist Gung Bao Huhn: Geschnetzeltes Huhn mit Frühlingszwiebeln, Cashew Nüssen, Chilischoten und gebackenem Blütenpfeffer. Diese eher milde Sichuan Spezialität ist eine ausgewogene Mischung von salzig, süß und sauer.

Das Rote Gold Sichuans

Das Markenzeichen der Provinzküche Sichuans jedoch ist Chili-Öl, das „Rote Gold Sichuans“: Das leuchtend rote und nicht allzu scharfe Öl wird am Ende eines Garprozesses über ein Gericht gegossen: Etwa über das „doppelt gebratene Bauchfleisch“, das zuerst weich gekocht, danach knusprig gebraten wird. Auch Geflügel, Rind und Lamm spielen eine Rolle in der Küche Sichuans.

Salzgemüse hat seinen Platz, gedämpfte Brötchen, Vegetarisches und Tofu in vielen Variationen: Sogenannte „Tofuhaut“ etwa ist die getrocknete Haut, die an der Oberfläche der Sojamilch entsteht; sie ist leicht nussig und bissfest. Im Restaurant Sichuan kommen auch experimentierfreudige Genießer auf ihre Rechnung: Auf der Speisekarte findet man Seequallensalat, gebratenen Schweinedarm mit Sellerie, oder ein Gericht namens „Mao Schüe Wang“: Eine Melange an Innereien mit gestocktem Schweineblut, Kutteln, Tintenfisch und Nadelpilzen.

Knusprig frittierter Chrysanthemenfisch

Im Restaurant „Meister Xiao“ im 18. Wiener Gemeindebezirk steht Xiao Qhansheng hinter dem Wok. Der Meisterkoch - er hat bei der 4. Weltmeisterschaft der chinesischen Küche in Kuala Lumpur Gold und Silber erkocht - ist einer von zwei ehemaligen Köchen des Sichuan Restaurants im Donaupark, die sich selbständig gemacht haben.

Zehn Stunden täglich steht er am Wok und schwenkt ihn dass die Flammen darüber schlagen. Wichtigste Arbeitsgeräte sind ein grober Schöpflöffel und sein Hackmesser: Mit dem traditionellen scharfen Hackbeil und seiner Schneidetechnik vollbringt er kleine Kunstwerke: Für ein Gericht mit dem Namen „Knusprig frittierter Chrysanthemenfisch“ schneidet er ein Fischfilet rautenförmig ein. Im heißen Öl geht der Fisch auf wie eine Chrysanthemenblüte. Meister Xiao begießt diese „Fischblüte“ mit süß-saurer Sauce, die zwischen die „Blütenblätter“ eindringt. Er kocht Tintenfisch mit Ingwersauce, 1000jährige Eier mit Paprika, Lamm mit Kreuzkümmel, Fischduft-Melanzani und viele weitere Köstlichkeiten.

Schweinefilet in Gärmehlsauce mit Palatschinken

Meister der Küche darf sich auch Fa Jun Zhang vom Restaurant China Kitchen an der Linken Wienzeile nennen. Er hat als Koch im Außenministerium in Peking gearbeitet und beherrscht sämtliche Küchenstile des Reiches der Mitte. Er verwöhnt seine Gäste etwa mit würzigen Dan Dan Nudeln, mit Tigerhautpfefferoni, mit trocken geschmortem Wolfsbarsch und mit Innereien.

Das „Schweinefilet in Gärmehlsauce mit Palatschinken“ übrigens ist die „Pekingente des kleinen Mannes“: Statt Ente bereitet man es mit billigerem Schweinefleisch zu, der typische Geschmack der Spezialität kommt vom fermentierten Mehl der Sauce. Salzgemüse und fermentierter Senfkohl sind wichtige Komponenten einiger Gerichte. Fa Jun Zhang spezialisiert sich auf die Küche Sichuans, er bietet aber auch Alltagsgerichte aus allen Regionen Chinas an.

Essen am Tisch

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Spezialitäten aus allen Regionen Chinas

Endgültig angekommen in der Chinatown Wiens ist man entlang der Rechten und Linken Wienzeile, besonders rund um die Kettenbrückengasse. Hier reiht sich Asia Shopa an Asia Shop, chinesische Supermärkte bieten sämtliche Ingredienzien für Küche und Kulinarik an.

Von getrockneten roten Datteln zu Saucen und Pasten aus fermentierten Bohnen. Chinesische Läden verkaufen Bücher und Videos, es gibt Läden für Tiefkühlfisch, ein chinesisches Reisebüro, Boutiquen, Friseure, und vor allem Restaurants und Imbissläden. Hier bekommt man Spezialitäten aus allen Regionen Chinas: Von Pekingente über Grillgerichte aus Hongkong zu Nudelgerichten aus Shanghai - wie etwa im Restaurant Jinco.

Ochsenschlepp in Rotwein und Vanille

Moderne Interpretation der Küche Chinas serviert man in den Restaurants, die Simon Xie Hong gegründet hat: Etwa im „On“ am Naschmarkt oder in der Chinabar in der Wehrgasse und in der Chinabar in der Hamburgergasse. In seiner Heimat in Südostchina war Simon Xie Hong Arzt.

Seine Basis sind traditionelle Gerichte der chinesischen Küstengegend. Er veredelt sie mit regionalen Produkten und entwickelt Kreationen wie „Geschmorten Oktopus mit Schweinebauch und Rotwein“ oder „Ochsenschlepp in Rotwein und Vanille“: Letzteres ist eine kräftige, gallertige Delikatesse, welche die Liebe der Chinesen für Fleisch am Knochen spiegelt. Geschmack verstärkt Simon Xie Hong durch Marinieren, Einlegen und Fermentieren. Fermentierte Bohnen und fermentiertes Gemüse sind wichtige Akteure chinesischer Kochkunst.

China-Turm

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Sichuan Restaurant im Donaupark

Für Eilige

Wer es eilig hat, dem sei das Imbisslokal „Wangs Nudelshop“ empfohlen: Hier kocht man Suppen mit Wan Tan Variationen, gebratene Teigtaschen, pikant gefüllte Germknödel und Fladenbrot. Wenn man auf kulinarische Entdeckungstour durch Wiens Chinatown geht, sollte man sich jedenfalls viel Zeit nehmen.

Dass Österreichs China Lokale - auch in den Bundesländern - mit geschulten Köchen versorgt werden, dafür ist in Zukunft gesorgt. Chunah Urban-Chao - Geschäftsführerin des China Sichuan Restaurants im Donaupark - hat in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer und dem verstorbenen Sozialminister Hundsdorfer ein Projekt ausgearbeitet, das chinesische Köche nach Österreich bringt. Pro Jahr dürfen 30 Köche aus China nach Österreich kommen und in Asia Lokalen im ganzen Bundesland arbeiten. Nach drei Jahren müssen sie wieder zurück nach China.

Service

China Sichuan Restaurant
Meister Xiao
China Kitchen
ON
Chinabar

Gestaltung