Zither

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Spielräume Spezial

Der Klang von Wien

Was macht Musik typisch wienerisch? Pflichtprogramm sind dafür auf jeden Fall eine eingängige, gern auch süße Melodie, das extrem geschmeidige, oft fast „geschmierte“ Gleiten von Harmonie zu Harmonie und eine maximale Elastizität in Sachen Tempo (weshalb der Grundhythmus auch nicht zu komplex sein sollte).

Sobald in der Wiener Musik gesungen wird, sind es vor allem drei Dinge, die einem Lied die wienerische Komponente verleihen: der Dialekt, der Gesangsstil und natürlich die Themen; die Liebe, der Wein, der Tod und die Stadt selbst stehen da ganz oben auf der Liste, und dann wird poetisch und sprachgewandt gependelt zwischen den ebenfalls drei großen Wiener S: Sudern, Schmäh und Sentimentalität - und alle drei kommen natürlich aus tiefstem Wiener Herzen.

Wien ist halt eine Stadt, nach der man/frau Heimweh haben muss.

Einer der ersten Eckpunkte der vergnüglichen Erkundungsreise in Wiener Klangwelten, die die Berichterstattung zur Wien-Wahl umrahmt, ist das Phänomen Wiener Walzer - mit seinem charakteristisch leicht verzögerten dritten Schlag ist er schon seit über 200 Jahren ein zentraler österreichischer Exportartikel.

Seine „Väter“ Joseph Lanner und Johann Strauß senior sind allerdings während des tanzenden Wiener Kongresses noch gar nicht flügge - sehr wohl aber ihr Lehr- und Kapellmeister Michael Pamer.

Michael Pammer: "Walzer In E-Dur"

aus: Ensemble Eduard Melkus ‎- Wiener Tänze Des Biedermeier, erschienen bei Archiv-Produktion

Nächster Halt: Die Wiener Zither, seit 2017 immaterielles Weltkultur-Erbe, weltberühmt gemacht von Anton Karas, neben Orson Welles und dem zerbombten Nachkriegswien der eigentliche Star im Filmklassiker „Der dritte Mann“.

Anton Karas

Anton Karas

ÖNB/BLAHA

Anton Karas: "The Café Mozart Waltz"

aus: Mock Mozart - The Most Unusual Mozart you'll ever hear; erschienen bei Living Era - vergriffen.

Was aber macht Wien, wenn es nicht Walzer tanzt? Es swingt.

Und manchmal dudelt es (Sie wissen schon, der Dudler ist der kleine städtische Verwandte des Jodelns). Märsche gibt es natürlich auch; sympathischer Weise hauptsächlich solche, zu denen man nicht wirklich marschieren kann, und wenn, dann höchstens gemütlich und maximal bis zum nächsten Heurigen.

Das Wienerlied ist weltweit einzigartig - oder haben Sie schon einmal von einem New Yorker-Lied oder einem Athenerlied gehört? Aber lassen wir es selbst zu Wort kommen:

Maly Nagl: "Wiener Heurigen Marsch"

Kinda hearts mi an, geht’s uns denn was an. Hauptsach das ma a guates Tröpferl haben.

Fast schon ein Heiligtum ist es also, das Wienerlied, und selbstreferenziell bis zum Gehtnichtmehr. Dabei immer schön ambivalent: Die Stadt muss sich also neben glühenden gesungenen Liebeserklärungen durchaus auch Kritik gefallen lassen, gern in Form des berühmt-berüchtigten Wiener Grants.

Roland Neuwirth: "Ein echtes Wienerlied"

Er hat an Abgang gmacht, er hat die Patschn gstreckt ... singt Neuwirth mit seinen Extremschammeln

Hassliebe und Wien-Bashing sind also keine Erfindung der letzten Jahre und die Stadt hat schon ganz andere Sachen überlebt.

Die größte Liebe schwappt Wien vor allem dann entgegen, wenn es ganz lokal wird im Wienerlied, wenn also jemand (s)ein Grätzel besingt oder eine andere schöne Ecke der Stadt - und es muss gar nicht immer das Riesenrad sein, der Stephansdom, Schönbrunn oder Grinzing.

Georg Kreisler: "Der Tod, das muss ein Wiener sein"

erschienen auf einer LP mit dem bezeichnendem Titel "Everblacks"

Wien ist halt einfach eine Stadt, nach der man/frau Heimweh haben muss. Und immer schon ein Sehnsuchtsziel für Menschen von überall - Schmelztiegel und Migrationsstadt. Auch für die Wiener Musik ist das eine ewige Quelle der Bereicherung und eine Chance auf die eine oder andere Frischzellenkur.