Marx und Engels Denkmal in Berlin

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Friedrich Engels - Der Fabrikant, der den Marxismus erfand

Wer Marx sagt, muss auch Engels sagen. Was im Zwanzigsten Jahrhundert unter dem Label „Marxismus“ firmierte, war auch die Schöpfung des vielseitig begabten Fabrikantensohns aus Wuppertal.

Der 1820 geborenen Friedrich Engels war Jenseits realsozialistischer Heiligenverehrung ein kraftvoller und originärer Denker, ein blendender Stilist und kreativer Philosoph, der bahnbrechende Schriften zur Dialektik von Natur und Gesellschaft, aber auch zu Fragen von Kolonialismus, Naturwissenschaft und Feminismus vorgelegt hat.

Nach dem Tod von Karl Marx war er es, der das Erbe seines Freundes verwaltet und als einflussreicher Organisator in die "Zweite Internationale" eingebracht hat. Im Grunde war Friedrich Engels es, der den "Marxismus" erst erfunden hat.

"Engels war ein leidenschaftlicher Verfechter der Individualität."

Der britische Historiker Tristram Hunt zeichnet Friedrich Engels in seiner erfrischenden Biographie als beschwingten Hedonisten, der die Freuden der Fuchsjagd ebenso zu schätzen wusste wie eine Schale Hummersalat oder eine fachgerecht dekantierte Flasche Château Margaux. „Den sowjetischen Kommunismus des 20. Jahrhunderts hätte dieser Liebhaber des guten Lebens nie gebilligt, sosehr ihn der Stalinismus auch als geistigen Vater beschwor. Denn Engels war weder Gleichmacher noch Etatist, sondern leidenschaftlicher Verfechter der Individualität und des offenen Kampfs von Ideen“, schreibt Hunt.

Friedrich Engels zeigte sich überzeugt, dass Marx ein "Genie" und er bloß ein "Talent" gewesen sei. Tristram Hunt und andere Zeitgenossen sehen das anders. Für sie war der viktorianische Baumwoll-Lord ein eigenständiger und bemerkenswert offener Denker, der die doktrinäre Interpretation seiner und Marxens Theorien im Leninismus und erst recht im Stalinismus radikal abgelehnt hätte.

"Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Kurz vor Ausbruch der 1848er-Revolution veröffentlicht Engels zusammen mit Karl Marx eine der folgenreichsten Schriften der Menschheitsgeschichte: das „Kommunistische Manifest“. Es enthält zum ersten Mal die Grundpositionen der Theorie des Marxismus und hebt besonders den Klassenkampf und die internationale Solidarität des Proletariats als Grundlagen für die Überwindung des Kapitalismus hervor.

Der Historiker Wolfgang Maderthaner rühmt die Vorzüge dieser Schrift: „Wenn wir heute - nach mehr als eineinhalb Jahrhunderten - das Kommunistische Manifest lesen, dann muss es uns erstaunen, mit welcher rhetorischen Gewalt die beiden ein Wirtschaftssystem beschreiben, das zu dem Zeitpunkt noch nicht existiert. Aber das man ja jederzeit in das Jahr 2008 und zur Lehman-Brothers-Pleite denken könnte. Sofort! Es ist faszinierend.“

„Lenin hat natürlich das herausgelesen, was ihm tagespolitisch opportun war. Das ist ja die Tragik dieses großen analytischen Werkes, dass es im 20. Jahrhundert instrumentalisiert wurde für totalitäre Zwecke“, meint der Historiker Eberhard Illner. Um so etwas wie „Planwirtschaft“ sei es den beiden Cheftheoretikern des Marxismus nie gegangen.

"Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus“

Die Philosophie und Politikwissenschaft analysiert und bewertet mittlerweile die Texte von Marx und Engels in ihrem historischen Kontext. Schließlich haben die beiden Philosophen ihre Positionen zu einzelnen Themen immer wieder variiert und ständig neu adaptiert, wie der Wuppertaler Engels-Experte Eberhard Illner betont.

„Die ganze Auffassungsweise von Marx ist keine Doktrin, sondern eine Methode...“

... schreibt Engels wenige Monate vor seinem Tod.

„Die Marxsche Methode gibt keine fertigen Dogmen, sondern Anhaltspunkte zu weiterer Untersuchung und die Methode FÜR diese Untersuchung.“

Immer wieder warnte Engels davor, Marx’ Theorien in das „starre Dogma einer rechtgläubigen Sekte zu verwandeln.“

„Die sogenannte sozialistische Gesellschaft ist nach meiner Ansicht nicht ein ein für alle Mal fertiges Ding, sondern, wie alle anderen Gesellschaftszustände, als in fortwährender Veränderung und Umbildung begriffen zu fassen.“

Vieles spricht dafür, dass Marx und Engels nach den Erfahrungen des Zwanzigsten Jahrhunderts heute für ein gemischtwirtschaftliches System plädieren würden, für einen „demokratischen Sozialismus“, in dem auch der Markt als unübertroffener Wohlstandsgenerator seinen Platz hätte, in dem aber finanzspekulative Exzesse, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben, geächtet und unmöglich wären.

Beide zählten zu den glühendsten Bewunderern und zugleich zu den schärfsten Kritikern der heute herrschenden Wirtschaftsweise. Engels hat immer wieder darauf hingewiesen, dass der Kapitalismus erst dann einem solidarischeren Wirtschaftssystem Platz machen könnte, wenn er zur globalen Kraft aufgestiegen sei. Eine Entwicklung, die gerade eben im Gange ist.