Tabea Zimmermann

Tabea Zimmermann - MARCO BORGGREVE

Konzert live

RSO eröffnet Wien Modern

Die legendäre "Tuning Meditation" von Pauline Oliveros, Enno Poppes "Filz"-Konzert (Solistin: Tabea Zimmermann) sowie Uraufführungen von Hugues Dufourt und Germán Toro-Pérez interpretiert das RSO Wien unter der Leitung von Leo Hussain beim Eröffnungkonzert von Wien Modern. Ö1 überträgt live.

"Wie ist die Stimmung?", fragt Bernhard Günther, Festivalleiter von Wien Modern, lässig und mit tückischer Harmlosigkeit. Das Festival, das seit 1988 alljährlich ganz Wien mit zeitgenössischer österreichischer und internationaler Musik überzieht, wird auch das herauszufinden haben: wie die Stimmung in einem Musikleben ist, das sich seit dem Ende des letztjährigen Festivals grundlegend gewandelt hat.

Unter dem Motto "Tuning of Mind and Body" eröffnen Leo Hussain und das RSO Wien das Festival am 30. Oktober, Ö1 überträgt live aus dem Konzerthaus. Tuning: Gestimmt werden die Instrumente in der legendären "Tuning Meditation" der texanischen Avantgardistin Pauline Oliveros, einer Partitur, die durch Anweisungen statt Noten das Zusammenspiel der Orchestermusiker/innen regelt.

Zwei Uraufführungen

Wie also ist die Stimmung? Zwei Werke enthält das Programm, die zumindest zum Teil schon mit Corona "aufgewachsen" sind. Im Auftrag von Wien Modern und RSO Wien hat der aus Kolumbien stammende, in Wien lebende Komponist Germán Toro-Pérez ein neues Werk geschrieben, in dem zwei Harfen und zwei Klaviere im Vierteltonabstand die Stimmung des Orchesters zum Schweben bringen.

Die zweite Uraufführung hat Wien Modern beim Franzosen Hugues Dufourt bestellt, Jahrgang 1943 und Gründer des Collectif de Recherche Instrumentale et de Synthèse Sonore. Er bezieht sich auf das Spätwerk seines Landsmanns Claude Monet und überträgt äußerliche Ruhe wie innere Lebendigkeit und Farbenpracht eines der "Seerosen"-Gemälde auf den großen Orchesterapparat.

"Das Stück braucht eine Art Fußbodenheizung" Enno Poppe

Dank des Bratschenkonzerts "Filz" aus der Feder von Enno Poppe kommt es beim Wien-Modern-Eröffnungskonzert auch zu einer Wiederbegegnung mit Tabea Zimmermann, die im Vorjahr mit dem Ernst-von-Siemens-Musikpreis ausgezeichnet wurde, dem "Oscar der Neuen Musik". Die Besetzung des Werks beweist Extravaganz: Streicher und vier Klarinetten. "Dahinter steht die Idee", so der deutsche Komponist, "dass die Bratsche zwar schon sehr warm ist, aber dass ich für das Stück noch eine Art Fußbodenheizung brauche. Also die Wärme, die aus der Tiefe kommt. Die passt ideal zur Bratsche."

In seinem Werk vereint Poppe das Dialogische mit dem Solistischen. Die Bratsche beansprucht den Vordergrund, Streichorchester und Klarinettenchor fügen die Motive des Soloparts zu einem Resonanzraum zusammen. "Es werden unheimlich viele Facetten der ursprünglichen Bratschenmelodie sichtbar, die ich durch alle Register führen und in den verschiedensten Varianten zeigen kann, zugleich hat sie stets einen Untergrund. Im Grunde bleibt es ein Solostück, das aber verdichtet, vergrößert und weitergetragen wird. Manchmal verschwindet die Solistin auch in dem ganzen Gebilde. Sie ist dann mal weg und kommt wieder hervor."

Text: Christoph Becher, Intendant des RSO Wien

Service

Wien Modern - 29. Oktober bis 29. November 2020
RSO Wien