Ludwig van Beethoven

GEMEINFREI

Sausen und Brausen

Der schwerhörige Beethoven

"O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig, störrisch oder misanthropisch haltet oder erkläret, wie unrecht tut ihr mir, ihr wisst nicht die geheime Ursache von dem, was euch so scheinet", eröffnet Ludwig van Beethoven, knapp über 30 Jahre alt, in seinem "Heiligenstädter Testament" sein Geheimnis, ein Bekenntnis.

Wie fühlt sich Beethovens Schwerhörigkeit an? Die Grazer Musikwissenschafterin Iris Kapeller kann es nachfühlen und hat versucht, einem hörenden Publikum mit Computerprogrammen das Nacherleben zu ermöglichen. Neben der Schwerhörigkeit den Verlust der Balance, eine Unsicherheit in der Bewegung.

Beethoven erlebte es: das Auf und Ab der Behinderung, Hoffnung machend sich bessernd und wieder in die Dumpfheit verfallend. Die Symptome der Schwerhörigkeit mit Hochtonverlust und dem Verlust der Sprachverständlichkeit, den Tinnitus mit quälenden Ohrgeräuschen und Verzerrungen und die Überempfindlichkeit gegen Schall begleitet von einem Hörchaos, das Beethoven, als Wien von der französischen Armee Napoleons eingenommen wird, sich vor dem Krach im Keller seines Bruders verstecken lässt. Mit Polstern schützt er die Ohren.

Wenigstens die Nachwelt sollte meine Krankheit beschreiben

Beethoven, hörend, zuhörend, anders hörend, resthörend, nicht hörend und weghörend. Beethoven ist vorausschauend, wenigstens die Nachwelt solle, bittet er einen seiner Ärzte, sobald er tot sei, seine Krankheit beschreiben, damit die Welt nach seinem Tode mit ihm versöhnt werde. Damals ist Beethoven schon mehr als vier Jahre lang schwerhörig.

Zu Beginn seiner Schwerhörigkeit, 1789, komponiert er die Klaviersonate opus 10 "Largo e mesto". Wie verändert sich die Instrumentation, wenn manche Frequenzbereiche stärker und andere schwächer von der Taubheit erfasst sind? Wie verändert sich die Beziehung zu Menschen, von denen er manche besser, manche gar nicht versteht?

Ein zweiter Dirigent überwachte den Takt

Seinem Freund Franz Gerhard Wegeler beschreibt Beethoven seine elende Lage: "Der neidische Dämon hat meiner Gesundheit einen schlimmen Streich gespielt, nämlich mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden, nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort. Die hohen Töne von Instrumenten und Singstimmen höre ich nicht, wenn ich etwas weit weg bin, auch die Bläser im Orchester nicht. Manchmal auch hör ich den Redner, der leise spricht, wohl, aber die Worte nicht und doch, sobald jemand schreit, ist es mir unausstehlich."

Die Pianistenkarriere ist beendet. Von der früher so bewunderten Virtuosität des Künstlers infolge der Taubheit fast gar nichts übriggeblieben, erzählt Louis Spohr: "Im Forte schlug der arme Taube so darauf, daß die Saiten klirrten, und im Piano spielte er wieder so zart, daß ganze Tongruppen ausblieben." Behelfsmäßig ist noch eine Zeit lang ein zweiter Kapellmeister hinter Beethoven postiert, überwacht den Takt. Schließlich, 1819, muss er ein Wohltätigkeitskonzert absagen. Sein Diener Anton Schindler fordert schriftlich zum Aufgeben auf.

Holzstab zwischen den Zähnen

Behelfsmittel: das Hörrohr, das Johann Mälzel, der der Musikwelt ein anderes rigoroses Instrument gegeben hat, das Metronom, ihm anbietet. Es wird teilweise am Kopf befestigt, verursacht mit seinem konzentrierten Schalldruck eher Verschlechterung; Linderung bringen Mandelöl-Ohrentropfen und Meerrettich-Baumwolle, weniger die Tortur der Zugpflaster oder des Aderlasses, eher Teesorten und lauwarme Donaubäder.

Erst ein an seinem Erard-Flügel befestigter Holzstab, den Beethoven zwischen die Zähne nimmt, lässt ihn die Vibrationen durch die Schallwellen spüren. Im Wiener Schwarzspanierhaus fand sich ein Flügel mit Schallfänger, einem an einen Souffleurkasten erinnernden Aufbau aus Metall, der die Klänge bündeln und dem Ertaubenden zuleiten sollte. 1818 zeigen die Konversationshefte Beethovens Interesse für eine "Electrovibrations-Maschine bei Schwerhörigkeit und gänzlicher Taubheit", für die "Construirung einer Schall-Maschine", für die ein "gründlicher Physiker folglich Akustiker" zurate gezogen werden müsse.

Gehörorgane sind "verschwunden"

Eine Obduktion am Tag nach seinem Tod ergibt eine Schrumpfung der Hörnerven. Die bei der Obduktion entnommenen Gehörorgane sind aus den Pathologischen Sammlungen des Wiener AKH verschwunden.

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