Eine Frau hält ein Handy mit der Tiktok App in die Höhe vor der Amerikanischen Flagge.

AFP/OLIVIER DOULIERY

Digital. Leben

Soziale Medien im US-Wahlkampf

Es war der digitalste Wahlkampf aller Zeiten, sagt der deutsche Politikberater und Blogger Martin Fuchs. Nano-Influencerinnen, Korea-Pop-Fans und Online-Gamer haben die politische Wahlkampfarena betreten.

Jungwählerin in den USA

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TikTok-Nutzerinnen und Nutzer und Korea-Pop-Fans sind dem noch amtierenden US-Präsident Donald Trump ziemlich auf der Nase herumgetanzt. Für eine Wahlkampf-Veranstaltung von Donald Trump im Sommer hatten etliche TikTok-Nutzer tausende Tickets für eine Trump-Show in Oklahoma reserviert. Aufgetaucht sind sie dann aber nicht und Trump musste in einer großen und recht leeren Arena vor nur 6.000 Anhängern sprechen.

TikTok ist mittlerweile eine hoch politische Plattform, sagt Martin Fuchs, auch wenn sie das zu Beginn gar nicht sein wollte: „Auf TikTok haben sich hier zum Beispiel Anhänger von südkoreanischen Popmusik zusammengetan, die Korea-Pop-Fans. Sie waren genervt von Trumps Politik und haben dann eine kleine Kampagne gegen ihn initiiert.“

Korea-Pop und Nano-Influencerinnen

Während sich die jungen Nutzerinnen und Nutzer auf TikTok also aus eigener Überzeugung zusammengetan und gegen Trump mobilisiert haben, stehen bei vielen Influencern auf YouTube oder Instagram aber sehr wohl bezahlte Kampagnen dahinter. Da teilen junge prominente Mode-Stars und Sternchen in ihrer unpolitischen Filterhochglanz-Fotowelt dann zwischendurch ein Video-Interview mit Joe Biden, das sich vermutlich nicht ganz zufällig ergeben hat.

Die Kampagnen-Teams setzen hier auf Nano-Influencer, sagt Martin Fuchs: „Die Wahlkampfteams haben begriffen, dass es vielversprechender ist, mit Nano-Influencern zusammenzuarbeiten, die zielgerichtet in kleinere Blasen von Nutzerinnen und Nutzern hineinkommen und dort wirken.“ Damit umgehe man auch die verschärften Regulierungen zur politischen Wahlwerbung. Die Influencerinnen werden nämlich direkt kontaktiert und nicht über die Plattformen finanziert, die sich an die strengeren Regeln halten müssen.

Wahlkampf am Smartphone

Eine große undurchsichtige Rolle hat im Wahlkampf auch jene Wahlwerbung gespielt, die via SMS, WhatsApp oder Telegram verschickt wurde. Hier fehle aber im Gegensatz zu öffentlichen Sozialen Netzwerken leider jegliche Transparenz, kritisiert Martin Fuchs.

Man wisse nicht genau, welche Kettenbriefe oder Desinformationen hier die Runde gemacht haben: „ Man weiß nicht, welche Gruppen es gibt, welche Themen diskutiert werden und welche Reichweiten die Artikel haben, die dort verschickt werden. Deshalb ist die Wirkung auch schwer einzuschätzen. Aber ich glaube, wenn man sich allein das Nutzungsverhalten der US-Bevölkerung anschaut, dass der versteckte Wahlkampf der dort betrieben wird, schon eine Bedeutung hat.“

Virtueller Joe Biden

Joe Biden hat sogar in einem Videospiel um Wählerstimmen gekämpft und in der derzeit beliebten Spielewelt von "Animal Crossing" eine eigene Biden-Insel mit Wahlkampfbüro und Informationen zur US-Wahl einrichten lassen: „Man nutzt hier das Freizeitverhalten der jungen Zielgruppe und ein sehr bekanntes Spiel,“ sagt Martin Fuchs, „die Spieler konnten sich dann vor der Konsole sitzend mit der virtuellen Figur Joseph Biden einfach unterhalten.“

Dass Politiker plötzlich als Figur in unseren Spielewelten auftauchen, werden wir künftig auch in europäischen Wahlkämpfen sehen, glaubt Fuchs. Vielleicht bleibt uns das in Österreich noch ein bisschen erspart.

Gestaltung: Julia Gindl

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