
HELENA WIMMER
Online bis 13 11 2020
Kabarett direkt: Wolfram Berger liest Karl Valentin
Wolfram Berger entführt das Publikum mit schauspielerischer Finesse in die scheinbar absurden, aber hoch logischen Wort- und Gedankenspiele Karl Valentins.
6. Dezember 2020, 02:00
„Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und trotzdem den Mund halten.“
. . . ja so is es . . .
Unser weiser Freund von der Unsinnsfabrikation trifft nicht nur mit diesem Satz der Menschheit und ihren Mitbewohner/innen direkt in die geistige Magengrube. Man könnte unzählige Sprüche vom Karl Valentin hernehmen - jeder würde zeitlos ins Schwarze treffen:
„Ich freu mich, wenn’s regnet, weil wenn ich mich nicht freu, regnet’s auch."
„Ist das, was man nicht sieht, auch eine Illusion?"
„Wennst as kannst, is koa Kunst - und wennst as net kannst, is’s erscht recht koa Kunst."
„Der Hitler hat a Glück g’habt, dass er net Adolf Kräuter ghoaßn hot – sonst hätt ma alle schreien miassn 'Heil Kräuter!' "
„Mögen hätt ma schon wollen - aber dürfen haben wir uns nicht getraut."

Wolfram Berger (c) GORK
„Gar net krank is a net ganz gsund."
Beim Valentin wachelt der Sinn mit unterschiedlichen Vornamen - einmal als Froh, dann als Un, manchmal als Irr und immer wieder als Tief Sinn.
Er gehört eigentlich unter die Philosophen. Beziehungsweise unter die, die den Unsinn zur Philosophie erhoben haben. Er philosophiert ohne den Umweg übers Denken und jubelt uns unsere Unzulänglichkeiten unter - während wir Tränen lachen.
Bert Brecht hat über ihn gesagt: „Karl Valentin macht keine Witze, er ist selbst ein Witz. Ein durchaus komplizierter, blutiger Witz. Da lachen die Gäule - und merken es tief drinnen."
„Die Zukunft war früher auch besser."
Ende der 1960er Jahre. Graz. Ein Keller in der Keplerstraße. Meine erste Begegnung mit Karl Valentin traf mich wie der Blitz. Mein Schauspielerfreund Herwig Seeböck und ich veranstalteten abseits unseres Engagements bei den Vereinigten Bühnen eine „Underground-Lesung“. Ich las aus H. C. Artmanns med ana schwoazzn dintn. Herwig las "Karl Valentin". !! Sappramento !!
Etwas ist mit mir da passiert. Ich schnappte mir nach der Veranstaltung Herwigs Buch. Flog quasi nach Hause, lachte den Rest der Nacht über dem Gesammelten Werk vom Valentin und war aufgeregt wie Schliemann bei der Entdeckung von Troja. Seitdem bin ich lebenslang infiziert.
„Hoffentlich wird’s net so schlimm, wie’s schon is.“
Valentins Humor traf mich mitten in die Seele. Und dort irrlichtert er immer noch. Er hat mir die Speisekammer des Denkens bis ins Undenkbare weit einladend geöffnet. Ich genieße das bis zum heutigen Tag. Und ab und zu darf ich ein paar Leute mitnaschen lassen.
„Herr Valentin, wenn Ihnen eine Fee drei Wünsche freistellte, was würden Sie sich wünschen?“
„1. Ewige Gesundheit. 2. Einen Leibarzt."
Meinen ersten offiziellen Valentin-Abend präsentierte ich anno 1974 in Basel. Inzwischen hab ich ihn - immer wieder verändert - unzählige Male gespielt. Und ich werde ihn auch weiterhin spielen, solange der Valentin - dieses „Gespenst und doch ein Münchner" (Alfred Polgar) - mich neue Fährten und Wege entdecken lässt. Also ewig . . .
Der Valentin ist mein künstlerisches Vitamin.
Gestaltung: Wolfram Berger