Thomas Birkmeir

RITA NEWMAN

Kultur-Stillstand

Jugend in der Krise

Die häusliche Isolation setzt sich also fort und alles was jungen Menschen Spaß macht, bleibt verboten. "Lasst euch die Kindheit nicht austreiben" warnte einst der wohl berühmteste deutsche Kinderbuch-Autor Erich Kästner. Ein ähnlicher Appell kommt 2020 von Thomas Birkmeir, dem Direktor vom Theater der Jugend, das versucht sein Publikum per Internet bei der Stange zu halten. Ö1 sprach mit ihm über die Psyche der Kinder in Zeiten der Pandemie.

Seit Beginn der Corona-Pandemie wurde häufig von psychischen Problemen der Erwachsenen gesprochen - kaum aber von der emotionalen Belastung für Kinder. Ein Alltag ohne Kunst und Kultur, so Thomas Birkmeir, sei für alle Menschen belastend: "Bevor der Mensch die Schrift erfunden oder Häuser gebaut hat, hat er irgendwelche Kritzeleien auf Felswände gemacht und sich die unglaublichsten Geschichten erzählt. Insofern scheint es ein Grundtrieb des Menschen zu sein. Wenn er diesem nicht mehr nachgehen kann … das finde ich sehr problematisch." Diese Verstummung führe und zur Nicht-mehr-möglich-Machung der eigenen Ausdrucksfähigkeit.

Die eigene Ausdrucksfähigkeit, die gerade bei Kindern erst langsam reift und auch das Bedürfnis nach jugendlicher Rebellion muss derzeit unterdrückt werden - ein, so Thomas Birkmeir, bedenklicher Zustand. "Gerade in der Abnabelungszeit mit 13 bis 16, wo man Antipode in der Familie gegen Vater und Mutter sein muss, und sein eigenes Wertsystem aufbaut." Das sei im Moment natürlich sehr schwer, weil die Kids nicht ihren Peergroups begegnen können.

Der Seele Flügel verleihen

Einschränkungen, die in der Entwicklung der jungen Menschen nachhaltig spürbar seinen und vor allem auch ihre geistige Entfaltung erschweren werden. "Wenn ich der Kunst und Kultur nicht begegne, hab' ich auch nicht die Möglichkeit, meiner Seele Flügel zu verleihen, indem ich über meine Ränder hinausschaue."

Das Theater der Jugend hat bereits im ersten Lockdown versucht, den Kontakt zum Publikum online aufrecht zu erhalte. So wurden beispielsweise Märchen-Lesungen angeboten. "Wunderkinder - Bambini Prodigo" heißt ein länderübergreifendes Filmprojekt in deutscher und italienischer Sprache, das man sich derzeit auf der Homepage des Theater der Jugend ansehen kann. Beteiligt sind an dem Projekt außerdem die Galleria dell’Accademia di Firenze, das Staatsorchester Braunschweig sowie die Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz. Der Film berichtet von einer imaginären Reise des jungen Mozart. Eine zeitlose Geschichte, die dennoch einiges über die aktuelle Situation aussagt.

Ersetzt werden könne die Essenz der Kultur so aber nicht, sagt Thomas Birkmeir. "Ein wichtiger Moment einer funktionierenden Gesellschaft ist, dass man Gemeinsamkeiten entdeckt - im Empfinden und im Denken." Gerade in diesen Zeiten müsste man den Menschen die Möglichkeit geben, Kunst und Kultur in Museen und Theater zu erfahren." Dieser Fehler der Regierung, glaubt der Theaterdirektor, werde nicht aufzufangen sein.

Gestaltung: Julia Baschiera