TASCHEN VERLAG
"Tattoo"
Bildband zur Geschichte des Tätowierens
Der Niederländer Henk Schiffmacher gilt als eine der Ikonen der Tätowierkunst. Er hat Lady Gaga und andere Pop-Stars unter der Nadel gehabt, sich gleichzeitig aber auch intensiv mit der Kulturgeschichte des Tätowierens beschäftigt. Seine umfangreiche Privatsammlung, die einen Bogen von der Südsee über Japan bis in die wilden Zwanziger-Jahre spannt, ist jetzt als opulenter Bildband erschienen.
10. Jänner 2021, 02:00
Henk Schiffmacher hat Lady Gaga einen kleinen Anker unter die Achsel und Red Hot Chili Peppers Sänger Anthony Kiedis einen riesigen Donnervogel auf den Rücken tätowiert.
Fake-News auf der Haut
Tätowierungen, einst den unteren Klassen vorbehalten, haben in den letzten Jahren eine unglaubliche Verbreitung erfahren. Eine Entwicklung, die Henk Schiffmacher nicht nur positiv sieht: "Früher war eine Tätowierung eine ehrliche Selbstaussage, heute aber, im Zeitalter der Influencer und Selbstdarsteller, dient sie oft nur der Angeberei. Die Probleme, die unsere Gegenwart mit falschen Informationen hat, die werden auch in den Tätowierungen der Leute augenscheinlich."
Politische Rebellen
Bevor Tätowierungen zur Modeerscheinung wurden, waren es vor allem experimentierfreudige und rebellische Epochen, in denen das Tätowieren eine Blütezeit erlebte. Schwarzweißfotos aus den Wilden Zwanziger-Jahren zeigen ganzkörpertätowierte Frauen, die damals von New York bis Berlin in Varietés auftraten. Dabei handelte es sich jedoch um eine Form der Unterhaltung, in der eine gehörige Portion Auflehnung steckte.
Dem aufkommenden Faschismus war das ein Dorn im Auge. Henk Schiffmacher: "Adolf Hitler, Mussolini, Stalin, sie alle waren Gegner des Tätowierens, weil man hier auf eine nonverbale Weise zeigen konnte, wer man war. Weil Tätowierungen das Individuelle hervor streichen, stellen sie immer eine Art der Rebellion dar."
Die Haut als Tagebuch
Mehr als 120 Tätowierungen trägt der 68-jährige Henk Schiffmacher selbst: Auf seinem Körper, sagt er, könne man die Geschichte seines Lebens nachlesen, und dann erzählt er gleich voller Leidenschaft weiter, von den Völkern der Südsee und ihren jahrhundertealten Traditionen: "Eine Tätowierung zeigt dort den Stammbaum ihres Trägers. Diese Menschen besaßen keine Schrift, ihre Geschichte und Geschichten überlieferten sie mündlich und die wichtigsten Ereignisse hielten sie in ihren Tätowierungen fest. Ihre Identität und Lebensgeschichte trugen sie damit direkt auf der Haut."
Missionare als Bilderstürmer
Im Buch zeigen farbenprächtige Gemälde Maori-Häuptlinge und ihre ganz feinen Gesichtstätowierungen. Angefertigt hat sie ein Auswanderer Ende des 19. Jahrhunderts, kurz bevor die europäischen Kolonialherren mit rigiden Gesetzen den jahrhundertalten Traditionen ein jähes Ende setzten.
Henk Schiffmacher: "Nur auf Samoa hat die Tätowierkunst eine durchgehende Geschichte, auf allen anderen Inseln wurde sie durch die Missionierung und Kolonialisierung verboten."
Von Popeye bis Mafia
Ein Popeye-Tattoo aus den Fünfziger-Jahren oder die holzschnittartigen Tätowierungen japanischer Mafia-Angehöriger auf historischen Aufnahmen. Henk Schiffmacher hat sie alle gesammelt und in "Tattoo" weiß er Geschichten über sie zu erzählen, die knallbunt sind und natürlich unter die Haut gehen.
Service
Henk Schiffmacher, Noel Daniel (Ed.), "Tattoo: 1730s-1970s - Fenk Schiffmacher's Private Collection", Taschen
Gestaltung
- Wolfgang Popp