Zerknülltes Leintuch

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Moment

Das Bett und seine unendlichen Möglichkeiten

Fast ein Drittel unseres Lebens verbringen wir „in den Federn“, besagen Studien. Das Bett begleitet wohl den Großteil der Menschheit ein Leben lang, von der Zeugung und Geburt bis zum Sterben. Dennoch fristet das Möbelstück, in dem wir viel Zeit verbringen, ein verschämtes Dasein hinter meist geschlossenen Schlafzimmertüren.

Zerwühltes Bettzeug, das Nachtgewand, Wärmflasche und Wasserglas auf dem Nachttisch sind tabu für Besucheraugen. Das Bett ist nicht nur ein Möbelstück. Es ist ein Ort der Intimität, der Zurückgezogenheit, der Zwei- und auch der Einsamkeit.

"Ich liebe mein Bett"

"Ich liebe mein Bett. Es ist ein großes Bett, mit einer großen Matratze, Naturholz rundherum und ich halte mich da wahnsinnig gern auf," gesteht die Traumforscherin und Psychologin Brigitte Holzinger.

Ein Möbelstück für Eliten

Erst die Moralvorstellungen der bürgerlichen Revolution verbannten das Bett ins Schlafzimmer. Die kunstvoll geschnitzten Liegen der alten Ägypter dienten vor 4500 Jahren nicht nur zum Schlafen, sondern auch zum Speisen. Das war genauso bei den Griechen und Römern; sie aßen und tranken, fläzend, und schliefen bereits auf Matratzen aus Schilf, Wolle oder Federn.

Das Bett war ein Möbelstück der Eliten. Könige und Fürsten regierten von ihren erhabenen Prunk- und Paradebetten aus, Alexander der Große ebenso wie Ludwig XIV. Das überdimensionierte Bett des Sonnenkönigs war Mittelpunkt des Hofes von Versailles, wo ihm beim täglichen Ritual des Aufstehens und Schlafengehens 150 Untergebene huldigten.

"Für mich ist das Bett ein Zufluchtsort"

"Für mich ist das Bett ein Zufluchtsort, ein Rückzieher nach der vielen Arbeit. Ich fühle mich in meinem Renaissance-Bett wohl. Indem hat angeblich schon Napoleon geschlafen. Ich würde in diesem Bett auch gerne sterben, " sagt Hanni Vanicek, Chefin des traditionsreichen Wiener Wäscheausstattungsunternehmens „Zur Schwäbischen Jungfrau“

Das eigene Bett war selten

Die Mächtigen und Reichen schliefen jahrhundertelang mehr sitzend und lehnend als liegend, jedenfalls weich, bequem und warm. Das Volk hingegen legte sich nachts auf Felle, Strohsäcke oder Matratzen aus Laub. Geschwister teilten sich die Bettstatt, Dienstboten sowieso, und bis ins 19. Jahrhundert schlüpften Schichtarbeiter als Bettgeher in das noch warme Nachtlager ihrer Vermieter. Es war keine Rede von einem eigenen Bett, geschweige denn von einem eigenen Schlafzimmer.

"Man hat nicht nur in der Nacht geschlafen"

"Es ist ein Zeichen der bürgerlichen Kultur nur in der Nacht zu schlafen. Im eigenen Bett zu schlafen ist eine relativ neue Entwicklung. Man hatte ja viel Personal und viele Kinder und keine Schlafräume. Da kam man auf die Idee, dass man die Schlafenden stapeln kann. Allerdings nicht im Stockbett, sondern in Laden, " erzählt Eva Kreissl, Kulturwissenschaftlerin.

Jeder nach seinem Geschmack

Heute bettet sich jeder nach seinem Geschmack: weich oder hart, auf einer Hightech-Matratze, einem japanischen Futon oder im Zirbenschlafzimmer. Eine auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit bedachte Gesellschaft will gut schlafen und ist durchaus bereit, Betten zum Preis eines Kleinwagens zu kaufen.

"Je älter man wird, umso schöner ist es im Bett"

"Mein Papa hat immer gesagt: Wenn man so lang liegt, wird man faul. Ich habe das nie hinterfragt und keinen Gedanken an ein gemütliches Bett verschwendet. Aber je älter man wird, umso schöner ist es im Bett. Mein Frau sagt jeden Tag, wenn sie ins Bett geht: Ist das schön," erzählt ein älteres Ehepaar, er 73, sie bald 80.

Ob man es in einem Luxusmodell leichter aushält, krank zu sein oder Liebeskummer zu haben? Acht lange Jahre war Heinrich Heine bettlägerig und schrieb von seiner „Matratzengruft“ aus.

Gestaltung: Johanna Steiner