
ORF/MARK UNTERBERGER
Radiokolleg
Lexikon der österreichischen Popmusik
Im Januar 2017 hat das Radiokolleg das Lexikon der österreichischen Popmusik gestartet. Von Ambros bis Qualtinger, von Danzer bis Wanda wird das Leben und Werk einzelner Künstler, Musiker/innen und Bands dokumentiert, ihre Bedeutung für die österreichische Musiklandschaft reflektiert und ihr Beitrag zu einer kritischen Gegenkultur gewürdigt. Dieses Mal sind Graf + Zyx, Fennesz, Parov Stelar, und Felix Kramer dran.
30. Jänner 2021, 02:00

DARK ENTRIES RECORDS
Graf + Zyx - die unbedanken Avantgardisten
Graf + Zyx ist in diesem Kontext kein allzu geläufiger Name. Für die Neigungsgruppe Mainstream ist er definitiv obskur. Selbst Kenner der österreichischen Pop-Historie der achtziger Jahre müssen meist das Internet bemühen. Und trotzdem zählt das Projekt Graf + Zyx, bestehend aus dem Künstlerduo Inge Graf und Walter Eberl, zu den Pionieren eines modernen, zeitgemäßen Sounds "made in Austria", der selbst heute noch Bestand hat.
Das anno 1981 nur unter dem Namen Zyx veröffentlichte Album "Trust No Woman" gilt als eines der wenigen hiesigen Dokumente früher elektronischer Musik, in seinem künstlerischen Impetus international vergleichbar etwa mit Kraftwerk, Yello, Cabaret Voltaire, Tuxedomoon oder The Human League.
"Trust No Woman" blieb ein minimalistisches, einsames Meisterwerk. Inge Graf und Walter Eberl wandten sich bald anderen Kunstformen zu - von Multimedia über Installationen, Webdesign und Netzkunst bis hin zu TV-Spots und Filmen für die Werbung. Das "Mysterium Zyx", so der "Falter" Musikkritiker Gerhard Stöger, versagte sich bewusst einer durchaus denkbaren Populärkultur-Karriere. Seit 1981 firmieren die Arbeiten des Duos ausschließlich unter dem gemeinsamen Signet Graf + Zyx. Seit 2012 betreibt das Paar den Projekt- und Studioraum TANK 203.3040.AT in Neulengbach in Niederösterreich.
Fennesz - Der Romantiker der Elektronik
Der Musiker, Christian Fennesz, geboren 1962 in Wien, begann in den 1980er Jahren als Gitarrist im experimentellen Trio Maische, das traditionelle Rockformate an die Grenzen und darüber hinaus drängte. Diesen innovativen Elan behielt er auch in der darauffolgenden Dekade bei, nun aber als einer der ersten Laptop-Elektroniker, die neue digitale Produktionsmethoden nutzten, um ihre Soundpalette um abstrakte Sounds und musique concréte-artige Klänge zu erweitern. Fennesz erwarb sich bald als 'Romantiker der Elektronik' ein Alleinstellungsmerkmal. Vor allem das Album "Endless Summer" (Mego Records) mit seinen Beach Boys-Bezügen und verfremdeten und fragmentierten Melodien in einem häufig atonalen digitalen Klangbett, etablierte den Musiker weltweit in einer Klangnische, die in den darauffolgenden Jahren immer wichtiger werden sollte.
Fennesz konsolidierte seine Musik, die er gerne aus Gitarrensamples komponierte mit weiteren erfolgreichen Alben wie "Venice", "Becs" oder zuletzt im Jahr 2019 "Agora." Daneben aber entwickelte er sich zu einem der produktivsten Kollaborateure der heimischen Popmusik: Er spielte und produzierte mit der japanischen ´Yellow Magic Orchestra`-Legende Ryuichi Sakamoto genauso wie mit dem präraffaelitisch anmutenden britischen Klang-Ziseleur David Sylvian und Dutzenden anderen. Er komponierte Musik für Ballette, Filme und Multimedia-Kunstinstallationen und wagte sich sogar an einen elektroakustischen Remix der Symphonien Gustav Mahlers, der unter dem Titel "Gustav Mahler Lied Collector's Edition" als luxusiöse Box im Jahr 2011 erschien.
So ist Fennesz, in Wien immer noch relativ unbeachtet, in aller Stille zu einem Weltstar im elektroakustischen Klang-Milieu geworden. Seine Musik sei häufig brillant konzipiert und meisterhaft ausgeführt, schrieb das englische Magazin "The Wire" in einer Würdigung: "Der Hörer aber hat of gemischte Gefühle und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Ist nicht gerade das ein Zeichen für wichtige Kunst?"

Parov Stelar
ORF/MARK UNTERBERGER
Parov Stelar
Die Geschichte von Electro-Swing ist untrennbar mit dem Namen Parov Stelar verbunden. Die Linzer Band läutete eine Renaissance alter US-Tanzstile ein, die sich durch das Internet weiter verstärkte. Marcus Füreder - Kopf der Band - wurde mit Parov Stelar zu einem der größten Musik-Exportschlager aus Österreich. Er hat das Genre Electro-Swing zwar nicht erfunden, er hat es aber so weit popularisiert, dass viele das glauben. Amadeus-Awards gewinnt Parov Stelar nur dann nicht, wenn die Band nichts veröffentlicht. Auftritte auf den großen Festivals der Welt verstehen sich von selbst.
Seither spricht man über Parov Stelar in Superlativen. Die Kennzahlen auf Facebook, Youtube und Spotify sind beeindruckend. Die Zahl verkaufter Platten ebenfalls. Seltener wird über die spezifische Qualität dieser Musik gesprochen. Electro-Swing verbindet Versatzstücke aus frühester Tanzmusik mit druckvoller Studiotechnik. Die Schutzrechte der Vorlagen sind meistens verjährt. Dazu werden Bässe verstärkt, das Schlagzeug kann punktgenau geschnitten werden, um den Groove tauglich für Bars, Lounges und Tanzschulen zu machen.
Marcus Füreder gründete gleich zu Beginn sein eigenes Label. Vor zehn Jahren musste er in eine Burnout-Klinik, ein weiterer Zusammenbruch folgte vor zwei Jahren. Nichts ging mehr. Der Musiker malt - so wie seine Mutter - und spricht seither auch darüber. Mit "Voodoo Sonic" veröffentlicht Parov Stelar heuer wieder eine kleine Trilogie. Das ikonische Soundgewand wurde sanft erneuert. Die Amadeus Awards stehen schon bereit.
Felix Kramer - Kunstvolle Lieder vom Scheitern
Felix Kramer umarmt die bittersüßen Niederlagen des Lebens. Seine Lieder handeln von menschlichen Schwächen. Der Wiener Singer/Songwriter spricht Dinge aus, vor denen andere zurückschrecken - oder sie schlicht und einfach verdrängen.
Die Lieder und Chansons des 1994 geborenen Musikers schrammen dabei mehr oder weniger knapp am Happy End vorbei. So sehr Kramers Texte das kunstvolle Scheitern besingen, so perfekt ist seine Musik konzipiert. Lang hat Kramer an seinen deutschsprachigen Songs gefeilt, nur begleitet von seiner akustischen Gitarre.
Für sein Debüt-Album "Wahrnehmungssache" (Phat Penguin, 2018) wurden einige der Songs in ein Band-Konzept gegossen - und fanden sich in den FM4-Charts wieder. Für seine zweite Platte "Alles Gut" (Phat Penguin, 2020) hat Kramer gemeinsam mit Produzent Hanibal Scheutz weiter am Sound der Songs und seiner nunmehr fix besetzten Begleitband gearbeitet.
Kramers musikalisches Fundament sitzt breit und tief. Er wurde an der Musik und Kunst Privatuniversität als klassischer Gitarrist ausgebildet und hat dort im Unterricht bei Martin Siewert wichtige Impulse für sein E-Gitarre-Spiel bekommen. Unter seinem bürgerlichen Namen Felix Pöchhacker gilt er als Spezialist für Neue Musik und spielt im Ensemble Phace und im Black Page Orchestra E-Gitarre. Er veröffentlicht unter dem Namen Mileycyrus experimentelle elektronische Musik und hat ein Studium der elektroakustischen Musik begonnen.