Außenansicht Universität Wien

UNIVERSITÄT WIEN/KLAUS RANGER

Dimensionen

Von der Werkbank auf die Lehrkanzel

"Dimensionen" über sozialen Aufstieg in den Wissenschaften

Nicht nur Vermögen, auch Bildung wird in Österreich vererbt. Je höher der Bildungsstand der Eltern, desto besser sind die Bildungschancen der Kinder. Das ist schon lang so, wird aber zunehmend lauter und selbstbewusster in der Öffentlichkeit thematisiert, wie etwa im Podcast "Ö1 Sprechstunde". Geht es um Chancenungleichheit im Bildungssystem, wird eine Frage dabei aber oftmals ausgeklammert: Welche Rolle spielt soziale Herkunft eigentlich für wissenschaftliche Karrieren?

"Arbeiterkinder", die Hochschulprofessorinnen bzw. -professoren werden, sind selten. Die soziale Herkunft des Universitätspersonals stellt eine Leerstelle in der Hochschul- und Ungleichheitsforschung dar. Daten dazu gibt es wenige; und die, die es gibt, wurden mühselig von Einzelnen zusammengetragen.

StudentInnen im Hörsaal

APA/HANS PUNZ

Trend zur sozialen Schließung

Eine Befragung von mehr als 1.300 Professor/innen in Nordrhein-Westfalen zeigt beispielsweise, dass nur circa elf Prozent aus "Arbeiterfamilien" stammen. Ihre Eltern sind bzw. waren Arbeiter/innen, Angestellte in ausführender Tätigkeit oder Beamte bzw. Beamtinnen im einfachen Dienst. Und es zeigt sich ein Trend zur sozialen Schließung: Die Bedeutung der sozialen Herkunft für eine erfolgreiche Wissenschaftskarriere wird immer wichtiger.

Frau mit langen Haaren

Ö1 Podcast

Sprechstunde abonnieren

Mit seiner 2016 auf Deutsch erschienenen Autobiografie "Rückkehr nach Reims" hat der französische Soziologe Didier Eribon nicht nur die Diskussion über die Ursachen des erstarkenden Rechtspopulismus bereichert, er hat auch das Thema Klassismus aufs akademische Tapet gebracht. Den Weg vom Arbeiterkind zur Professur beschreibt Eribon als äußerst mühsam und kräftezehrend. Er ging einher mit dem Abbruch der familiären Kontakte und der Verleugnung seiner Herkunft.

Tabuthema soziale Herkunft

Die soziale Herkunft von Wissenschaftler/innen scheint ein Tabuthema zu sein. Ein Tabu, das jedoch langsam aufgebrochen wird. Das zeigen etwa zwei Sammelbände, die voriges Jahr erschienen sind, und in denen jene, die den "Extremaufstieg" geschafft haben, ihre Erfahrungen schildern. Diese Aufstiegsbiografien sind vielfältig. Gemeinsamkeiten findet man dennoch.

Viele berichten von ökonomischen Hürden, manche sogar von Gefühlen der Unzulänglichkeit und der Scham. Viele Wissenschaftskarrieren gehen mit einer Entfremdung von der Herkunftsfamilie einher. Je stärker man sich die Universität und damit auch die akademische Sprache aneignet, desto fremder werden einem die eigene Herkunft und die Familie.

Es braucht gewisse Voraussetzungen

Bildungsinstitutionen sind keine neutralen Einrichtungen. Um es von der Werkbank auf die Lehrkanzel zu schaffen, braucht es bestimmte Voraussetzungen. Etwa ein Elternhaus, das Bildung wertschätzt und die Bildungsbestrebungen des Kindes unterstützt. Und es braucht den Willen, sich schnell anzupassen, und nicht zuletzt die Fähigkeit, über die eigene Herkunft zu reflektieren.

Diejenigen, denen der soziale Aufstieg in den Wissenschaften gelungen ist, können daraus viel für ihre Arbeit mitnehmen. Sie bringen besondere Fähigkeiten mit, können besser mit Krisensituationen umgehen und zeigen eine kritischere Haltung gegenüber den vorherrschenden Machtverhältnissen im Bildungssystem. Und sie gehen in ihrer Forschung oft anderen Fragen nach - nämlich jenen nach Verteilungs- und Chancengerechtigkeit.

Gestaltung