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Musik
"Mc Cartney III" - neues Album mit 78
Erst gestern wurde eine neue Dokumentation über ihn angekündigt und heute erscheint das 18. Studioalbum von Sir Paul McCartney. McCartney hat den Lockdown kurzerhand in "Rockdown" umgetauft, sich in seinem Studio im englischen Sussex verkrochen und neue Songs geschrieben.
18. Jänner 2021, 02:00
Weil außer ihm selbst niemand verfügbar war und Multiinstrumentalist McCartney einst schon bei den Beatles auch Schlagzeug und Gitarre spielte, hatte er alles, was es für ein neues Album brauchte. Der 78-Jährige nannte es schlicht "McCartney III". Das hat bei ihm gute Tradition, knüpft er so doch an jene zwei Do-It-Yourself-Werke an, die er 1970 und 1980 veröffentlichte.
Wieder einmal war Paul McCartney ganz auf sich gestellt in seinem Studio. Diesmal flüchtete er aber nicht vor dem Zusammenbruch der Beatles oder dem Ende seiner zweiten (und letzten Band) Wings - 2020 herrschte draußen Corona während drinnen ein 78-jähriger Jungspund seine musikalische Spielwiese noch einmal neu vermessen will. "Ich hatte diese Songs und wusste erst nicht so recht, was ich damit machen sollte. Dann ging mir ein Licht auf: Ich spiele selbst alle Instrumente. Das hier ist McCartney III", so der Sänger.

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Acht Minuten lang tiefste Gefühle
Das ist die Trademark der "McCartney"-Reihe. Die Stücke wurden jeweils von ihm komponiert, eingespielt und produziert. Auch 2020 nimmt sich McCartney die Freiheit, die Konventionen, die er selbst einst etablierte hinter sich zu lassen. "Deep Deep Feeling" etwa, das zentrale Stück der Platte, erforscht über acht Minuten lang die Risiken und Nebenwirkungen allzu intensiver Gefühle. Das Stück gleicht einer Meditation in mehreren Akten, gleichzeitig angespannt und besänftigend. McCartney haderte mit der Länge, kam am Ende aber zum Schluss, dass es für ihn so funktioniere. Das Lied ist nur ein Beispiel dafür wie Sir Paul seine künstlerische Freiheit hier weit über die Grenzen der netten Pop-Single ausdehnt.
So wie der vom Künstler Ed Ruscha konzipierte Würfel am Cover des Albums jederzeit in jede Richtung kippen könnte, hält sich auch McCartney jede Abzweigung offen. Einmal sanfter Folk, dann wieder stampfende Rocktöne oder wabernde Elektronik - all das ohne das Gefühl, hier hechelt jemand Trends hinterher. "Ich hatte keine Ahnung, dass ich an einem Album arbeite", erinnert sich McCartney an seine Studiotage. Das mag stimmen oder auch nicht - der Ballast einer regulären Veröffentlichung des Ex-Beatles scheint hier jedenfalls weniger schwer zu wiegen.
The Ballad of Paul
Textlich geht es um Liebe und Hoffnung, coronabedingt auch um Isolation - stets durchdrungen vom unerschütterlichen Optimismus des Musikers. Atmosphärisch knüpft "McCartney III" immer wieder an seine erste Solo-Platte an. "Winter Bird/When The Winter Comes" etwa beschwört eine ungetrübte Idylle (damals die schottischen Highlands, diesmal Sussex) und den Naturburschen McCartney. Das Lied könnte aber auch aus den Sessions zum "Weißen Album" stammen.
Immer dann, wenn Veränderung in der Luft liegt, scheint Paul McCartney auf seinen Namen als Albumtitel zurückzugreifen. Die liegt diesmal nicht nur an der Pandemie, sondern auch bei ihm selbst. McCartneys schon brüchige Stimme erzählt 2020 auch vom Älterwerden - "McCartney III" ist die bislang letzte Strophe der "Ballad of Paul" - seit sechs Jahrzehnten ein "work in progress".
Seinen Klassiker "When I'm 64" schrieb Paul McCartney mit 16 am Klavier. Nun, mit 78 erlaubt er es sich noch einmal Teenager sein zu dürfen und mit seinem Spielzeug das zu machen, wonach ihm ist - mit hörenswertem Ergebnis.