Viktor Rogy, Performance am 13. Mai 1998

Creative Commons/Kunsthalle Exnergasse

Biografie

Viktor Rogy - Der Kunstrebell vom Wörthersee

Viktor Rogy war ein Extremkünstler und Selbstdarsteller, ein Kunstmarktverweigerer und Provokateur - seinen Platz in der österreichischen Kunstgeschichte hat der 2004 verstorbene Außenseiter nie so recht gefunden. Dem Kärntner Künstler widmet der Historiker und Publizist Wolfgang Koch sein neues Buch mit dem Titel "Jeden Tag Cowboy. Viktor Rogy. Der Kunstrebell vom Wörthersee", das detailreich das Leben, das Schaffen und die radikale Kunstauffassung des Künstlers beschreibt und kommentiert.

Ein selbsternannter Giftmischer und Sprengmeister, ein genialer Autodidakt, ein vom Kunstmarkt "boykottierter Retroavantgardist", ein "Einzelkämpfer" der österreichischen Nachkriegsmoderne, ein Außenseiter, ein Wirtshausphilosoph, ein Minimalist und ein in vielen Hinblicken kompromissloser Künstler - Viktor Rogy war all das; und es war in seinem Sinne, sich nicht festlegen zu lassen, erzählt Wolfgang Koch.

"Der wichtigste österreichische Künstler, von dem die Österreicher noch nie etwas gehört haben" Wolfgang Koch

In Klagenfurt, wo Rogy in der ehemaligen Waschküche von Maria Lassnigs Villa lebte, waren Koch und Rogy Nachbarn - jetzt, über 15 Jahre nach seinem Tod, hat Koch ein Buch über ihn geschrieben: "Mein Anspruch ist es, die ganze Persönlichkeit des Künstlers zu erklären, und das heißt natürlich, dass man sich über die problematischen Seiten nicht hinwegschwindelt. Die problematischen Seiten bei Rogy waren sein Alkoholismus, seine Neigung zu Gewalttätigkeit. Aber ich finde so einen ungeraden Lebenslauf eigentlich anziehend. Mich langweilen Künstlerbiografien, die Hagiografien sind." Dennoch: Er sei der wichtigste österreichische Künstler, von dem die Österreicher noch nie etwas gehört haben, meint Wolfgang Koch.

Viktor Rogy Doppelbelichtung

Ernst Peter Prokop

Viktor Rogy, 1980 bei einer Vernissage im Künstlerhaus Klagenfurt

Daheim in jedem Medium

Viktor Rogy wurde 1924 in Kärnten geboren; er betätigte sich in den 1950er Jahren als Lyriker, kam dann in den 1960er Jahren zur Bildhauerei und in der Folge zur Konzeptkunst. Zu seinem ausufernden Werk, das zum Teil in öffentlichen Sammlungen ist, gehören Zeichnungen, Videos, Skulpturen, Lyrik, Tanz, Postkarten und Inneneinrichtungen - es gibt kaum einen Bereich, den er sich nicht zugetraut hat.

Allerdings scheute ihn der überregionale Kunsthandel und der Museumsbetrieb. Er sei ein Kuratorenschreck gewesen, so Koch: "Er war ein notorischer Kunstbetriebsverweigerer. Und das hat System gehabt bei ihm, weil ein bestimmter Gedanke dahinter war. Der Gedanke war, dass sich das Kunstgewerbe oder der akademische Betrieb nach dem Markt ausstreckt, aber Kunst im Grunde genommen auf Distanz lebt. Das war das Konzept von Rogy: die bewusste Abkehr von Betrieben."

Lebende Skulptur

Rogys Werk hat verschiedene Phasen durchlaufen, die in seinen Künstlerbüchern und Postkartenblocks gut dokumentiert sind, meint Wolfgang Koch. Seit den 1970er Jahren sei eine Art ungeschütztes Bildertagebuch entstanden: "Dieses Bildertagebuch ist angereichert mit formelhaften Spruchweisheiten, mit Drohgebärden, mit allen möglichen aktionistischen Dingen. Er hat offenbar sehr früh verstanden, dass es in der Kunst nicht darum geht, was gesagt wird, sondern dass es um diese anderen Dinge geht, die nicht gesagt werden, sondern um das Rätselhafte, die Hieroglyphen sozusagen."

Drei Lokale hat Viktor Rogy designt - das letzte davon war gegenüber dem Hotel Sandwirth in der Klagenfurter Innenstadt. Auf dessen Balkon trat 1938 Adolf Hitler vor die jubelnde Menschenmenge. Das Café Om gestaltete der Minimalist Viktor Rogy um, indem er alles, was keine Funktion hatte, aus dem Raum entfernte. "Enttschatscheln" nannte er das, entkitschen also. Jeden Abend habe er sein Publikum als "lebende Skulptur" unterhalten, mit Reden, Geschichten und Wortwitzen. In diesem Lokal sind Performances entstanden, aber auch jene Aktion, mit der Rogy seinen 15-minütigen Weltruhm einfahren sollte.

Viktor Rogy

Creative Commons/Kunsthalle Exnergasse

Der Künstler bei einer Performance am 13. Mai 1998 in der Kunsthalle Exnergasse, Wien

Krach und Kirche

1999, als sich die schwarz-blaue Bundesregierung formierte, übermalte Rogy die Fotos der Regierungsmitglieder nach der Angelobung mit kleinen Quadratbärtchen und hängte seine Protestkunst in die Auslage des Café Om - ein Kunstskandal, der es in die Weltpresse schaffte und Rogy für einen kurzen Moment berühmt machte.

Künstlerisch findet der Biograf Wolfgang Koch diese Aktion allerdings schwach, sagt er, und verweist lieber auf das - seiner Meinung nach - beste Werk des Künstlers: eine architektonische Intervention in der Evangelischen Kirche im Stadtpark in Villach. Die Fensterscheiben der neogotischen Kirche ersetzte Rogy mit Glas, das nach außen spiegelt und nach innen transparent sind - die reflektierte Umgebung mit bewegtem Blattwerk und vorbeiziehenden Wolken ergibt ein für viele Interpretationen offenes Vexierspiel.

Gegen den Strom

Wolfgang Kochs Biografie "Jeden Tag Cowboy" ist detailreich recherchiert und bleibt doch nicht in Kleinigkeiten hängen - anhand des Phänomens Viktor Rogy erzählt Koch Zeitgeschichten, die auch über Kärnten hinaus interessant sind. Außerdem will er dem Außenseiterkünstler seinen verdienten Platz in der österreichischen Kunstgeschichte erschreiben. "So ephemere Dinge, wie sie Rogy produziert hat, Performatives, Unförmiges, sind eigentlich selten in der Kunst", so der Biograf. "Wenn Sie sich heute in den Museen umschauen, sehen sie geschniegelte Skulpturen und leuchtende Bildschirme in jeder Ecke. Es hängen mehr oder weniger sterile Malereien nebeneinander. Meistens die gleichen Namen. Ich meine aber, dass so ein Außenseiter wie der Rogy eigentlich einen sehr interessanten Zugang hatte."

Was Viktor Rogy, der nicht zuließ, dass wer anderer sein Werk interpretierte, über ihn sprach oder schrieb als er selbst, von dem über 500 Seiten starken Buch gehalten hätte? Das beantwortet Wolfgang Koch gleich im ersten Satz: "Viktor Rogy, der Enigmatiker unter Österreichs Kunstextremisten, hätte dieses Buch abhorresziert, denn er wollte mit Gewalt als der große Unverstandene dastehen."

Service

Wolfgang Koch, "Jeden Tag Cowboy. Viktor Rogy - Kunstrebellen vom Wörthersee", Hollitzer Verlag
Wikiwand - Kirche im Stadtpark (Villach)

Gestaltung

  • Anna Soucek

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