Julia Reuter

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Neue "Radiokolleg"-Reihe

Lust auf Literatur

Auftakt der neuen Radiokolleg-Reihe "Bücherbox"

Wenn es ein Buch gibt, das einen nostalgischen Ehrenplatz in meinem Regal hat, dann ist das "Der kleine dicke Ritter Oblong-Fitz-Oblong" des britischen Autors Robert Bolt. Ich war fünf Jahre alt, als mein Vater mir die lustigen Abenteuer des durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Titelhelden kapitelweise immer vor dem Einschlafen vorgelesen hat. Als er jedoch einmal einen Nachtdienst machen musste (er war damals angehender Arzt), hielt ich es vor Neugier nicht aus, denn ich wollte ja wissen, wie es weitergeht. Daher las ich das Buch kurzerhand in einem Zug allein fertig. Seitdem spielt das Lesen eine immens wichtige Rolle in meinem Leben.

Es gibt ein sehr schönes Zitat von Helen Heyes, einer 1993 verstorbenen amerikanischen Theaterschauspielerin: "Von seinen Eltern lernt man lieben, lachen und laufen. Doch erst wenn man mit Büchern in Berührung kommt, entdeckt man, dass man Flügel hat."

Aufreibend oder unterhaltsam?

Vor einiger Zeit führte ich eine sehr anregende Diskussion mit einer von mir überaus geschätzten Kollegin der Ö1 Literaturredaktion. Ihrer Auffassung nach muss Literatur aufreibend sein, unbequem und provozierend. Ich wiederum genieße unterhaltsame, spannende Geschichten, deren Protagonist/innen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Egal welchen Zugang wir zu Literatur haben, sich darüber angeregt unterhalten zu können ist ebenso vergnüglich wie das Lesen selbst.

Aus dieser Einstellung hat sich die Idee der "Bücherbox" entwickelt, ein neues Langzeitformat des "Radiokollegs", das sich mit bekannten literarischen Werken befassen wird - von Klassikern bis zeitgenössischen Romanen. Jede Staffel der "Bücherbox" wird ein bestimmtes Thema als roten Faden haben, der sich durch alle vier Folgen zieht.

Ein Buch im Haus nebenan ist wie ein geladenes Gewehr

Der erste solche Faden ist das Thema Lesen: Es geht um Bücher, in denen das Lesen in irgendeiner Form eine große Rolle spielt, wie zum Beispiel in Ray Bradburys Roman "Fahrenheit 451" - "ein Buch im Haus nebenan ist wie ein geladenes Gewehr. Vernichte es. Entlade die Waffe. Breche den menschlichen Geist", heißt es darin. Lesen ist in Bradburys Dystopie verboten, Bücher werden von Feuerwehrmännern aufgespürt und verbrannt, manchmal kommen dabei auch die Buchbesitzer/innen ums Leben.

Eco, Dai oder Zusak

Im Roman "Der Name der Rose" von Umberto Eco ist der zentrale Schauplatz ein mittelalterliches Kloster zur Zeit der Inquisition, mit einer beeindruckenden, labyrinthischen Bibliothek: "Vielleicht ist diese Bibliothek einst entstanden, um die Bücher, die sie enthält, zu schützen. Aber nun lebt sie, um die Bücher in sich zu begraben. Deshalb ist sie zum Herd des Frevels geworden."

Verbotene Bücher spielen in Dai Sijies Roman "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" eine wesentliche Rolle. Es geht um zwei Jugendliche, die während der Kulturrevolution in China in einem Bergdorf von Bauern umerzogen werden sollen und auf einen Koffer voll mit westlichen Büchern stoßen: "Den ganzen September über tauchten wir mit heißen Ohren in die Geheimnisse der großen, weiten Welt ein, die uns die Autoren aus dem Westen Tag für Tag, Buch um Buch enthüllten. Frauen, Liebe, Sex (…). Wir waren schlicht überwältigt."

Markus Zusak erzählt in seinem Roman "Die Bücherdiebin" aus der Sicht des Todes die Geschichte eines kleinen Mädchens, das während des Zweiten Weltkriegs Lesen lernt, Bücherverbrennungen miterlebt und vom lodernden Haufen Bücher stiehlt. "Das Buch fühlte sich jetzt kühl genug an, dass sie es sich unter die Uniform stecken konnte. Zunächst spürte sie es hübsch warm an ihrer Brust. Als sie sich in Bewegung setzte, erhitzte es sich wieder."

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