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ORF/JOSEPH SCHIMMER

Die besten Kurzhörspiele

Track 5' - Was wirklich geschah

264 Kurzhörspiele wurden heuer für den Kurzhörspielwettbewerb Track 5‘ unter dem Motto „Was wirklich geschah“ eingereicht. Ein neuer Rekord. Die Jurys von Ö1 und der schule für dichtung wählten daraus die Besten aus. Nun stehen die Sieger/innen fest.

Zum 17. Mal lud Ö1 (seit 2014 gemeinsam mit der schule für dichtung) zum Kurzhörspielwettbewerb Track 5‘. Höchstens fünf Minuten lang sollte das Stück sein, ein selbstaufgenommenes Geräusch und den Satz „Was wirklich geschah“ musste es beinhalten. Mitmachen konnte dabei jeder, ob Profi oder beherzter Amateur. Im Corona-Jahr taten das mehr als doppelt so viele Audiokünstler/innen wie in bisherigen Jahrgängen.

Für Fritz Ostermayer, den Leiter der schule für dichtung, war es ein besonders guter, da besonders humorvoller Jahrgang. Oftmals war es schwarzer Humor, der den schweren Themen des Jahres 2020 trotzte.

Und so hörten Sie sich an, die Kurzhörspiele 2020:

Was wirklich geschah

Mit Ausdauer und Hingabe - die Jury

264 Hörspiele zu hören war keine einfache Aufgabe. Das gesammelte Audiomaterial ergab eine Länge von mehr als 20 Stunden. Dennoch hörten Jürgen Berlakovich (Autor und Musiker, schule für dichtung), Christine Ehardt (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften, Universität Wien), Claudia Gschweitl (Ö1 Literatur und Hörspiel), Sandra Herbsthofer (Ö1 Digital und Social Media), Fritz Ostermayer (schule für dichtung, FM4) und Elisabeth Zimmermann (Ö1 Radiokunst - Kunstradio) mit Sorgfalt, Ausdauer und Hingabe zu und kürten schließlich die folgenden drei Kurzhörspiele sowie den Träger des Sonderpreises der schule für dichtung.

Die Top 10 Beiträge

Hirzlechin Gluckwünsch!

Nein, wir haben uns nicht vertippt, denn so oder so ähnlich müsste man wohl den Gewinner/innen gratulieren. Den mit 1.000 Euro dotierten Preis der schule für dichtung erhielt nämlich das sprachspielerische Hörspiel „Der Konkrettich und der Kranich ohne Kran“ von Claudia Bitter, technisch umgesetzt von Gabriel Schett.

Claudia Bitter und Gabriel Schett

Der Konkrettich und der Kranich ohne Kran

Preisträger/innen mit ihrem Preis

Gabriel Schett und Claudia Bitter

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Fritz Ostermayer begründet die Wahl folgendermaßen: „Nach Jacob Grimm wurde die Zweite Lautverschiebung vom physiologischen Stress der Völkerwanderungszeit verursacht. Grimm hielt es für unmöglich, dass ‚ein so heftiger Aufbruch des Volkes nicht auch seine Sprache erregt‘ hätte. Welcher heftige Aufbruch zur dritten Lautverschiebung dieses durchgeknallten Hörspiels geführt hat, wissen nur die Autorin Claudia Bitter und vielleicht noch ihr Tonmeister Gabriel Schett. Hier wird auf Dada komm raus sprachgespielt, bis der Sinn kracht, wird Konkrete Poesie zum absurden Theater und das Sprechen selbst zur Situationskomik. Die Jury wagt zu behaupten: Ernst Jandl hätte sich bei dieser verschmitzten Posse ‚eisgezauchnet anterhulten‘.“

Das tanzende Haus

„Cha-Cha-Cha” von Roman Gerold ging als bestes Kurzhörspiel aus dem Wettbewerb hervor und erhält ebenfalls ein Preisgeld von 1.000 Euro. „Trittschall. Schieben, schaben, quietschen, kratzen. Wasser gluckert in den Rohren. Schreie, dumpfe Beats, eine Klospülung, Radiosprecherstimmen und Hundegebell aus den Nebenwohnungen treiben unseren Erzähler fast zur Verzweiflung. Durch die musikwissenschaftlich gestützte Analyse einer Freundin schafft er es schlussendlich aber, in all diesen Geräuschen eine faszinierende, sich periodisch wiederholende Hausmusik im Tempo von 0,00069 Beats per Minute zu erkennen. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!

Roman Gerold

Cha-Cha-Cha

Roman Gerold

Roman Gerold

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Roman Gerold gelingt es in seinem großartigen Kurzhörspiel, die banalen Alltagsgeräusche und Stimmen eines Mehrparteien-Hauses zu einem rätselhaften Cha-Cha-Cha des lockdown-induzierten Wahnsinns zusammenzufügen. Damit hat er die Jury und damit den ersten Platz des Track 5‘ Wettbewerbs restlos für sich gewonnen. Gratulation!“, so Christine Ehardt über die Entscheidung der Jury.

Zerfransen, ausrinnen, entrinnen

Den mit 500 Euro dotierten zweiten Platz belegte das lyrisches Lockdown-Liebesdrama „Lieber zerfranst es mich“ von Manuela Tomic, ein Hörspiel zum Themendoppel Beziehungsdrama und Lockdown.

Manuela Tomic

Lieber zerfranst es mich

Die Jury zeigt sich vor allem von der humoristischen Umsetzung des Themas begeistert: „Zerfransen, ausrinnen, entrinnen bis dass der Tod euch scheidet. Es hätte so leicht schiefgehen können: Ein Hörspiel zum Themendoppel Beziehungsdrama und Lockdown schreit ja geradezu nach Fettnapf und Stolperfalle. Umso großartiger, wie Manuela Tomić jedem Elendsrealismus trotzt und stattdessen Sprache selbst sich fremd werden lässt. Hier reden nicht nur Mann und Frau übereinander her und aneinander vorbei, auch Sprech-Hierarchien kommen sich in die Quere. Worte fügen sich zu Hackordnungen, und am Ende könnte es zum Heulen sein, müssten wir nicht schadenfroh auflachen. In Krisenzeiten ist schwarzer Humor nicht das schlechteste Stil- und Überlebensmittel.“

Auf der Suche nach dem Gottesgeräusch

Platz drei des Kurzhörspielwettbewerbs und ebenfalls 500 Euro Preisgeld vergab die Jury an „Tape Head“ von Sebastian Hocke: „Auf der Jagd nach dem Gottesgeräusch wird hier die Welt mit dem Mikrofon vermessen und sich dabei mit Grandezza in den Endlosschleifen von Kassettenbändern verheddert, bis nur mehr die Stille zwischen den Geräuschen übrig bleibt. Oder findet man den absoluten Klang sowieso nur in einer Geschirrspülmaschine, wenn sie sich verschluckt?

Sebastian Hocke

Tape Head

Der Jury sind die kratzigen Zwischentöne beim Vor- und Zurückspulen der Tonbandaufnahmen und die ironisch tragische Lebensgeschichte eines passionierten Tonbandjägers mitten ins audiophile Herz gegangen, und sie würdigt Sebastian Hockes aberwitziges Schallsuchspiel ‚Tape Head‘ mit dem 3. Platz!“

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  • Ö1 Hörspiel-Gala