Viktor Rogy

KUNSTHALLE EXNERGASSE - (CC BY-SA 4.0)

Radiokolleg

Positionen in der Kunst: Rogy, Meese, Quinn, Bourgeois

Wie verändert Kunst unsere Sicht auf die Welt? Wie interagieren Künstler/innen mit der Welt? Was sind die künstlerischen Ausdrucksformen des 20. und 21. Jahrhunderts?

Die Radiokolleg-Langzeitserie Positionen in der Kunst will Kristallisationspunkte in der Entwicklung der Kunst der letzten 50 Jahre aufzeigen: Momente, in denen sich eine neue Dringlichkeit, mediale Sensibilität oder auch politische Durchschlagskraft auf eine Weise manifestierte, die man bis dato so noch nicht gekannt hatte. Eine Kunst, die traditionelle Genres transzendiert und im intermedialen Diskurs neue ästhetische Sprachen zwischen Sinn und Sinnlosigkeit, zwischen Traum und Trauma zur Debatte stellt.

Viktor Rogy - Der Universalprovokateur

Selbst im Kontext der Außenseiter ist Viktor Rogy noch eine Randposition: Der 1924 in Arnoldstein geborene und 2004 in Klagenfurt gestorbene Künstler war, wie so viele seiner Generation, ein Multi-Artist, der die Grenzen der ästhetischen Produktion verschieben und seine Disziplin mit provokanten Auftritten revolutionieren wollte. Er betätigte sich als Lyriker, Bildhauer, Post-Dadaist, Ausdruckstänzer und Körperkünstler - allerdings vorwiegend im regionalen Rahmen der Kärntner Szene, die sein häufig lautstarkes und verhaltensauffälliges Wirken mit einer Mischung aus Belustigung und Abscheu aufnahm.

Weltberühmt war Viktor Rogy nur einmal: Im Jahr 2000 hängte er, nach der Ernennung der schwarz-blauen Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel, in einem Klagenfurter Café Bilder sämtlicher Minister auf. Das Besondere daran: Jeder wurde mit einem Hitler-Quadratbärtchen übermalt und erhielt auch eine Haartolle im Stile des ´Führers`. Allgemeine Aufregung war die Folge, der damalige Landeshauptmann Haider reichte Klage wegen Ehrenbeleidigung ein und internationale Zeitungen wie El Pais oder die New York Times berichteten über die Aktion.

Viktor Rogy hatte Zeit seines Lebens eine durchaus zweifelhafte Reputation: Er galt als Wirtshauskrakeeler, der einer Rauferei nie abgeneigt war und als Störenfried, der sich mit Auftritten im öffentlichen Raum immer wieder in die Kärntner Lokalpolitik einmischte. Aber eben auch als ideenreicher Konzeptkünstler und ästhetischer Minimalist, dessen Visionen so groß waren wie sein Werk schmal geblieben ist.

Jonathan Meese: Klamauk trifft Pathos!

Seine Malerei ist expressiv und wirkt zuweilen wie der spontane Kreativausbruch eines Kleinkinds. Doch Jonathan Meeses grelle Farbexplosionen sind nicht so harmlos, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Sie verweisen auf deutsche Mythen und Symbole und schöpfen aus einem kryptischen Zitatschatz. 2016 hätte Jonathan Meese den "Parsifal" in Bayreuth inszenieren sollen. Für Meese, der sich seit den späten 1990er Jahren an Wagners Mythen abgearbeitet hat, ging ein großer Lebenstraum in Erfüllung.

Dementsprechend groß war die Empörung, als Katharina Wagner sein Engagement im November 2014 kündigte. Nach dieser viel diskutierten Absage der Bayreuther Festspiele lud der damalige Festwochen-Intendant Thomas Zierhofer-Kin Jonathan Meese ein, ein großes Parsifal-Projekt zu entwickeln. Meeses Antwort auf Richard Wagners Bombast hat etwas hysterisch Überreiztes. Die Methode der Überschreibung trifft ohnehin den Kern von Meeses künstlerischen Verfahren. Nationale Symbole wie das Eiserne Kreuz sind im visuellen Baukastensystem des Künstlers fix verankert, genauso wie eine mitunter martialische Rhetorik.

Meeses Umgang mit der deutschen Geschichte polarisiert. Tatsächlich kann man sich streckenweise nicht des Eindrucks erwehren, dass die Erinnerungsarbeit des Künstlers trotz ästhetischer Brechung auch von einer gewissen Faszination für das Monströse getragen wird. In seinem "Mondparsifal" wirft Jonathan Meese die große Zitatmaschine an, verwurstet deutsche Mythen, Symbole und Narrative in einem großen schrillen Bombardement der Zeichen, lässt Trash auf Hochkultur treffen, Klamauk auf Pathos.

Marc Quinn: Me, Myself and I

Als Künstler wie Damien Hirst, Sarah Lucas oder Tracey Emin in den 1990er Jahre unter der Etikette Young British Artists den internationalen Kunstmarkt aufmischten und erfrischten, war er mit dabei: Marc Quinn, geboren 1963 in London, war nicht nur in der gleichnamigen legendären Gruppenausstellung von Mäzen und Marketing-Guru Charles Saatchi vertreten, er gehörte auch zu jener jungen Künstlergeneration, die in der Londoner Galerie White Cube zeigte, was angesagt und neu war.

Aufsehenerregend ist Quinns Beitrag zum Selbstporträt, angesiedelt an der Schnittfläche von Skulptur und Performance. In der Serie "Self" dokumentierte der Künstler seinen körperlichen Wandel im Zeitraum von fünf Jahren und goss Skulpturen aus seinem eigenen Blut. Seine Bronzeskulptur "Mirage", die Folterpraktiken im US-amerikanischen Gefängnis Abu-Ghraib zum Thema macht, erzeugte ein großes mediales Echo. Die Arbeit, die auf einer ikonischen Fotografie beruht und einen Gefangenen zeigt, der mit Elektroschocks gequält wird, stand im Kreuzfeuer der Kritik. Quinn musste sich den Vorwurf gefallen lassen, das Leid der Opfer im Namen der Kunst zu instrumentalisieren.

Louise Bourgeois - Die Kunst der Spinnenfrau

"Spiderwoman" hieß eine Dokumentation über Louise Bourgeois, und das zu Recht. Denn die überdimensionale stählerne Skulptur einer Spinne mit dem Titel "Maman", die im Jahr 2000 die Londoner Tate Modern eröffnete, ist so etwas wie ein Signature-Piece der Künstlerin geworden.Spinnen waren für Bourgeois, die 1911 in Paris geboren wurde, aber seit 1938 in New York City lebte, keine negativ konnotierten Tiere, sondern dienten ihr als symbolische Repräsentationen ihrer Mutter, der Weberin und Hegerin ihrer Jugend.

 Louise Bourgeois' "Spider"

Louise Bourgeois' "Spider"

AFP/TIMOTHY A. CLARY

Bourgeois gilt als Pionierin der installativen Kunst, die sie entwickelte, indem sie Skulpturen als zusammenhängende Teile in einem räumlichen Kontext arrangierte. In den 1940 Jahren arbeitete sie vorwiegend mit Farbe auf Papier, wobei sie schon Elemente und Motive verwendete, die in späteren Werkgruppen großen Raum einnehmen sollten, darunter auch die Spinne. Es sollten Jahrzehnte vergehen, ehe die eigenartige, eigenständige und beunruhigende Kunst von Louise Bourgeois, in der Nabelschnüre und züngelnde Kahlköpfe, deformierte weibliche Körper und gewindeartige vertikale Verstrebungen vorkommen, in ihrer Bedeutung erkannt und gefeiert wurde.

Erst als ältere Frau wurde sie zum Superstar, der im Salon in Chelsea Künstler zur Audienz empfing und nun vor allem an "Cells" arbeitete - komplexen installativen Arrangements, die durch Gitterstrukturen oder Fenster eingehegt werden und mysteriöse Torsi und vernähte Puppen, alte traurige Kleidchen und Strümpfe neben hinterhältig hybriden Schöpfungen, die aufs Abstrakte verweisen, beherbergen.

Zum internationalen Frauentag am 8. März erscheint auf mumok digital ein Blogbeitrag über eine frühe Arbeit der Künstlerin, die auch im Rahmen der großen Sammlungsausstellung Enjoy - die mumok Sammlung im Wandel ab 19. Juni ausgestellt wird.