Aktivistin Jennifer Klauninger zwischen Polizisten.

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Die totale Verschwörung

Internet und Social Media machen's möglich: Die phantastischsten Verschwörungstheorien finden heute millionenfach gläubige Anhängerinnen und Anhänger.

Für Jennifer Klauninger ist die Sache klar: Das mit der Corona-Pandemie ist ein Riesenschwindel. Die „globalen Eliten“, so glaubt die junge Frau, nützten die Angst der Menschen vor dem Virus, um eine Diktatur in weltweitem Maßstab einzuführen: Und die Pandemie-Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung seien ein erster Schritt auf dem Weg in die globale Tyrannei.

„Diese angebliche Covid-Pandemie ist in Wahrheit nur eine Ablenkung“

„Im Grunde gehe ich für die Menschen auf die Straße“, behauptet die gelernte Zahnarzt-Assistentin, die zusammen mit anderen über Monate hinweg die Anti-Corona-Demos organisiert hat, die regelmäßig die Wiener Innenstadt lahmlegen: „Diese angebliche Covid-Pandemie ist in Wahrheit nur eine Ablenkung“, erklärt die Pandemie-Aktivistin: „In Wirklichkeit geht es um einen geopolitischen Neuwandel des Systems.“

Jennifer Klauninger, Jahrgang 1991, sieht die Welt auf eine ganz bestimmte Art und Weise: Eine mächtige Gruppe von dreizehn reichen Familien, so ihre Überzeugung, bestimme das Schicksal der Welt, und das schon seit langem.

Die Rothschilds, die Rockefellers und auch die Familie Gates haben Klauningers Meinung nach ausschließlich Böses vor mit den Völkern der Welt: In regelmäßigen Abständen produzieren diese „geheimen Drahtzieher“ Heimsuchungen für die Menschheit: Wirtschaftskrisen, Börsenkräche, katastrophale Kriege, Terroranschläge und nicht zuletzt auch die Migrationsströme, die in die wohlhabenden Länder gelenkt werden, um die Gesellschaften Europas zu destabilisieren. Auch die Corona-Pandemie, die behauptete Corona-Pandemie, wie Klauninger es sieht, gehe auf diese dreizehn Familien zurück.

Eine der „toxischsten Persönlichkeiten“ des Jahres 2020

Aus politikwissenschaftlicher Perspektive ist Jennifer Klauninger eine lupenreine Verschwörungs-Ideologin mit rechtsextremer Schlagseite. Die „Kleine Zeitung“ wählte die Anti-Corona-Aktivistin gar zu einer der „toxischsten Persönlichkeiten“ des Jahres 2020. Klauninger selbst sieht sich ganz und gar nicht so. „Ich bin absolut nicht rechtsextrem, ich bin auch kein Nazi. Ich habe mit diesem Gedankengut noch nie etwas anfangen können.“

Die 30-Jährige hält sich für eine demokratische Aktivistin, für eine zivilgesellschaftliche Akteurin wie Tausende andere auch. Für Klauninger ist klar: Sie und ihre Freundinnen gehören zu den Guten.

„Menschen, die an Verschwörungsmythen glauben, gehen davon aus, dass nichts so ist, wie es scheint“

Das sehen Wissenschaftler wie der Tübinger Ideologieforscher Michael Butter anders. „Menschen, die an Verschwörungsmythen glauben, gehen davon aus, dass nichts so ist, wie es scheint“, erklärt er. „In ihren Augen gibt es immer irgendwo verborgene Mächte, die hinter den Kulissen als manipulative Drahtzieher wirken.“ Und oft, wenn nicht immer, sind diese Mythen antisemitisch grundiert.

„Verschwörungsideologien waren im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert übrigens viel verbreiteter, als sie es heute sind“, erklärt Michael Butter. „In den modernen Industriegesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg sind sie für ein paar Jahrzehnte weitgehend aus dem Blickfeld verschwunden. Aber in bestimmten Subkulturen haben sie überlebt.

"Die Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungstheorien sind wieder sichtbarer geworden."

Die Mainstream-Kultur hat davon nichts bemerkt. Das hatte vor allem mit der medialen Situation zu tun. Wer in den 1970er Jahren beweisen wollte, dass die Mondlandung gar nicht stattgefunden hat, hat es kaum geschafft, in die Öffentlichkeit zu kommen. Durch das Internet hat sich das verändert. Die Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungstheorien sind wieder sichtbarer geworden. Ganz weg waren sie allerdings nie.“

Seit einem Jahrzehnt bestimmen Verschwörungs-Ideologien die öffentlichen Diskussionen in immer größerem Maße. Und das hat Auswirkungen: Man darf davon ausgehen, das haben Studien ergeben, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland und Österreich anfällig ist für oft auch sehr abstruse Verschwörungsmythen.

Gestaltung: Günter Kaindlstorfer