Gitarrenhals und Saiten

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Salzburger Nachtstudio

Musik als Breitensport

Spitzensportlern - weiblich wie männlich - wird in Zeiten der Pandemie zugestanden, dass sie trainieren dürfen, wohingegen sich oft Empörung breitmacht, wenn Amateure das Gleiche tun, zumindest in Mannschaftssportarten.

Auch das Neujahrskonzert 2021 durfte sogar im „harten Lockdown“ stattfinden, wogegen Aufführungen von Laienmusikern weitgehend untersagt bleiben.

Breitensport wird in der herrschenden Staatsideologie als wichtiges Gut anerkannt, aber wie verhält es sich mit der Musikerziehung und dem Instrumental- und Gesangsunterricht, mit den Laienorchestern, Chören und sonstigen Amateurensembles?

Als „sozialste aller Künste“ hat einst der Musikwissenschaftler Hans Günther Bastian die Musik bezeichnet. In Analogie dazu vermittelt der Musikunterricht wichtige soziale Kompetenzen. Was passiert, wenn er über viele Monate entfällt?

Kind spielt Klavier

APA/ZB/MICHAEL HANSCHKE

In das Tun der 7000 Musiklehrer/-innen und 200.000 -Musikschüler/-innen in Österreich mischen sich in Zeiten der Einschränkungen mehrere Dissonanzen. Welche Langzeitfolgen wird das monatelangen Schweigen der Breitenkunst haben? Und wie fühlt sich „Distance-Learning“ bei der sozialsten aller Künste an? Gewiss ein Jammertal, aber da sind auch kreative Lösungen samt Hoffnung auf ein Wiedererwachen.

Die heimischen Musikschulen sind schon ab dem März 2020 sehr schnell auf „Distance learning“ umgestiegen, zumindest was den Einzelunterreicht angeht. Mithilfe der Eltern hat das im Großen und Ganzen gut funktioniert, erzählt Michaela Hahn. Die studierte Musikpädagogin und Kulturmanagerin ist Professorin für Musikschulforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und seit 20 Jahren Geschäftsführerin der niederösterreichischen Musikschulen.

"Mittel bis längerfristig wird einiges der Digitalisierung bleiben. Zum Einen, der Umgang mit technischen Lösungen, nicht nur auf den Unterricht beschränkt, sonder auch auf die Präsenz der Musikschulen im Internet. Und zum Anderen natürlich im Unterricht. Wenn die Schüler älter werden und dann in ein Internat gehen, ist es oft so, dass der Unterricht an der Musikschule nur mehr alle zwei Wochen, in einer Randzeit, stattfinden kann. Hier könnte „Distance learning“ als Ergänzung bleiben", sagt Michaela Hahn.

Dennoch ist Musikunterricht kein Computerspiel und den Musikschulen kommt als Einrichtungen eine wichtige Rolle zu, weiß die niederösterreichische Geschäftsführerin Michaela Hahn. So besucht in manchen Bundesländern jedes dritte Volksschulkind die Musikschule. Ein Großteil der Studenten und Studentinnen einer Musikuniversität hat die bisherige Ausbildung an einer Musikschule erlebt. Die Vorbildung für die Universität geschieht also in der Musikschule.

"Das hängt mit der Spirale der musikalischen Bildung zusammen. Da sind zuerst die Eltern, die helfen, dann kommt die Schule, dann die Musikschule, die Volksmusik und dann kommt die Musikuniversität. Je höher das Niveu auf jeder einzelnen Stufe ist, umso besser und vielfältiger ist die musikalische Bildung", beschreibt Michaela Hahn.

Bestimmte Arten des Musizierens brauchen die volle Realpräsenz der Mitwirkenden, betont Ruth Schneidewind. Die Musikpädagogin und langjährige Fachbereichsleiterin an der Wiener Musikuniversität ist die Begründerin des „Wiener Wegs“ des elementaren Musizierens, das von jedermann und jederfrau ausgeübt werden kann und soll, denn unmusikalische Menschen gibt es für Ruth Schneidewind nicht - nur falsche Erwartungen. Zoom, Skype und Co haben dabei allerdings nichts verloren, den ihrer Meinung nach kannn über das Internet keine vertraute Atmosphäre entstehen.

"Neben der Person, die ich sehe, können ja andere sitzen, die sich dauern einmischen, lachen. Ich bin nicht in der Atmosphäre der Menschen, ich spühre sie nicht, ich höre sie nicht atmen, ich spühre nicht die kleinen Gesten der Zuwendung, des Verständnisses usw.. Das passiert nur in der Gegenwärtigkeit der Menschen", sagt Ruth Schneidewind.

Neurotische Regimes wie die Taliban, der „Islamische Staat“ oder die Calvinisten im Genf des 17.Jahrhundert haben den Menschen das Musizieren verboten. Die Wiener Psychotherapeutin Martina Leibovici- Mühlberger, unter anderem Autorin des Buches "Startklar - Aufbruch in die Welt nach Covid 19"- weiß um die Effekte dieser kulturellen Prohibition: "Damit kann man die Menschen besser lenken. Wenn sie dem Menschen die Kunst wegnehmen, dann gefährden sie ihn."

"Otto Schily, deutscher Innenminister von 1998 bis 2005, hat einmal gesagt: 'Sperren wir die Musikschulen zu, so gefährden wir die innere Sicherheit des Landes". Hier wird ganz klar, dass wir eine positiv konstruierend Kraft der Gesellschaft in der Musik haben", sagt Martina Leibovici- Mühlberger.

Gestaltung