Unbebautes Grundstück

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Moment

Aufs Land ziehen

Wer Immobilienanzeigen studiert, hat den Trend längst bemerkt: die Preise für Immobilien auf dem Land steigen. Gewinner sind nicht nur die Speckgürtel der Metropolen, sondern auch entlegenere Regionen. Das Homeoffice macht es möglich.

Knapp 105 Kilometer liegen zwischen den beiden Wohnsitzen von Viktoria. Eine Distanz, die den einstigen Pfarrhof nahe Geras im nördlichen Waldviertel zum perfekten Wochenendziel für die Wienerin und ihre Familie machte. Mit dem coronabedingten Lockdown im Frühjahr 2020 wurden ihre Aufenthalte im Waldviertel länger. Das Homeoffice machte es möglich. Heute verbringt die Journalistin mehrere Wochen ohne Unterbrechung im Landhaus. Gut möglich, meint die Endfünfzigerin, dass sie der Stadt bald ganz den Rücken zukehren wird.

Bau eines Bungalows

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Trendumkehr

Jahrzehntelang ging der Trend nur in eine Richtung: vom Land in die städtischen Ballungsräume. So verloren manche Gemeinden im nördlichen Waldviertel seit den 1970er Jahren die Hälfte ihrer Einwohner an Wien. Die Pandemie scheint den Trend zumindest fürs erste verlangsamt zu haben.

Waren vor Corona die Vorteile des Stadtlebens noch greifbar - die Nähe zum Arbeitsplatz, die besseren Einkaufsmöglichkeiten, das kulturelle Angebot - so veränderte der Lockdown die Perspektiven. Wer konnte, floh aufs Land, denn viele konnten ihre Arbeit dank Homeoffice ortsunabhängig erledigen. Und in der freien Natur jenseits der Ballungsräume fiel das Abstandhalten leichter.

Das Künstlerpaar Lena Rothstein und Tony Scholl hat seinen Wiener Wohnsitz bereits 2011 aufgegeben, um ins niederösterreichische Weinviertel zu ziehen. Das Haus jenseits des Speckgürtels war erschwinglicher als eine größere Wohnung in der Stadt, erzählt Sängerin und Kabarettistin Lena Rothstein. Auch die anfängliche Sorge, als Zugezogene in der ländlichen Nachbarschaft isoliert zu bleiben, hat sich als unbegründet herausgestellt: über eine Initiative zur Betreuung von Flüchtlingen schufen sich die beiden mittlerweile einen breiten Freundeskreis.

Anfragen nach Wohnimmobilien auf dem Land verdoppelt

Konnten Rothstein und Scholl bei ihrer Immobiliensuche noch aus dem Vollen schöpfen, so ist das Angebot in den vergangenen Monaten spürbar kleiner geworden. Nach einem kurzen Schockmoment zu Beginn der Coronakrise zog die Nachfrage nach Wohnraum schnell wieder an - vor allem auf dem Land.

Laut Fachverband der Immobilientreuhänder in Niederösterreich haben sich die Anfragen nach Wohnimmobilien in den vergangenen Monaten sogar verdoppelt. Gewinner sind diesmal nicht nur die Speckgürtel, sondern auch strukturschwache Regionen in Randbezirken. Solange der Preis stimmt, nehmen die neuen Stadtflüchtlinge auch weitere Strecken in Kauf, heißt es aus der Immobilienbranche.

Die Preise sind stark gestiegen

Für Sebastian Kraner und Judith Hahn ist das Landleben noch ein unerfüllter Wunsch. Das Paar aus Wien - er ist Filmemacher, sie Sozialpädagogin - sucht seit über einem Jahr nach einem Bauernhof, den die Quereinsteiger mit Permakultur bewirtschaften möchten. Aber, so der 30-jährige Kraner, die Pandemie habe die Preise in die Höhe schnellen lassen.

Wer Immobilienanzeigen studiert, hat es schon bemerkt: Trotz des Wirtschaftseinbruchs sind Wohnungs- und Hauspreise im vorigen Jahr merklich gestiegen. Auch in ländlichen Regionen. Für Kraner und Hahn ist der Traum vom Leben auf dem Bauernhof damit in weitere Ferne gerückt.

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