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APA/ROLAND SCHLAGER

Roman

Sama Maanis "Zizek in Teheran"

Das neue Buch des Psychiaters, Psychoanalytikers und Schriftstellers Sama Maani ist ein über 600-seitiges Versepos rund um ein fiktives islamisches Regime, das mit Hilfe der Literatur zu Fall gebracht werden soll. Das artet mitunter in verschlungene, märchenhaft-absurde, aber höchst amüsante Erzählpfade aus.

Drei Mal wöchentlich liegt ein Teheraner Gefängnisarzt auf der Psychoanalyse-Couch des Ich-Erzählers und rezitiert, zwischen den Klagen über seine Impotenz, geheimnisvolle Textfragmente aus einem vergangenen Jahrhundert, die im Verlauf der Handlung ungeahnte gesellschaftliche Umwälzungen nach sich ziehen.

Sama Maani nimmt die Leser/innen seines neuen Romans auf eine Reise in ein "fiktives Land"

Die Gefahr der Weiblichkeit

Die Wirkung des Textes ist ähnlich der des "Killing Joke" von Monty Python, "nur dass die Menschen nicht vor Lachen sterben, sondern, dass im Roman für den Text empfängliche Männer nach der Lektüre das Gefühl haben, sich in eine Frau zu verwandeln, auch körperlich," sagt Sama Maani. Diese als Metapher begreifliche "Verweiblichung" unterwandert die Grundfeste des Regimes auf bizarre Weise.

Es ist nur ein verschmitzter Schachzug des Schriftstellers und Psychoanalytikers, der in seinem 600seitigen Versepos genussvoll mit Erwartungshaltungen und Überraschungseffekten spielt: Figuren ändern Funktion, Beruf und Identität, auf den Auftritt des titelgebenden Slavoy Zizek wartet man immerhin bis zum Epilog, und auch das Teheran dieses Romans hat nichts mit der realen iranischen Hauptstadt zu tun.

"Meine islamische Republik Teheran ist ein fiktives Land, das nichts mit dem realen Teheran oder Iran zu tun hat", so der Autor. Kein Erfahrungsbericht, keine "Erklärliteratur", die Menschen im Westen sein Land näherbringen soll, wie überhaupt der Autor gegen gängige Genres wie die sogenannte "Migrantenliteratur" auftritt, weil sie Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf ihren Migrationshintergrund reduziere, statt künstlerische Maßstäbe an ihre Texte anzulegen.

Sprachverspielt und formverliebt

Gerade diese Maßstäbe allerdings fordert Sama Maani in seinem über 600 Seiten starken Roman mehrfach heraus. Immer wieder wechselt er in diesem Versepos die Perspektive, reimt sprachverspielt vor sich hin, fügt Zitate, ganze Zeitungsartikel oder Links zu YouTube-Videos ein oder überlegt gemeinsam mit dem Leser oder der Leserin, was es mit dem eben Erzählten auf sich haben könnte. Präzise auf den Punkt kommen ist seine Sache nicht, viel lieber bricht er die eigentliche Erzählung immer wieder auf.

In Graz geboren, verbrachte Sama Maani seine Kindheit in Teheran, bevor er als Jugendlicher zurück nach Österreich kam. In seinen Essays, Kommentaren und literarischen Texten stellt sich der Psychiater und Psychoanalytiker regelmäßig gegen die reduzierte Wahrnehmung auf Religionszugehörigkeit, vor allem bei Menschen aus muslimischen Ländern. Auch im Iran zeige eine jüngste Studie, dass zwei Drittel der Bevölkerung nicht an den schiitischen Islam glauben, so der Autor. "Das ist die Frage, was mit einem religiösen Regime passiert, dem die Basis fehlt," so Maani.

Die Utopie der zweiten Revolution

Im Roman feilt Runde der sogenannten "Mittwochsoppositionellen" mithilfe des magischen Textes an einer zweiten Revolution, die das religiöse Regime stürzen soll. Für die reale iranische Gesellschaft sieht Sama Maani die Situation ungleich weniger humorvoll: "Es leben 85 Millionen Menschen in Iran, wenn aber zwei bis drei Millionen von ihnen religiöse Fanatiker sind, die bereit sind, für das Regime zu töten und zu sterben, dann hat es keinen Sinn, friedlich zu demonstrieren."

Bleibt vorerst also nur die Flucht in die Kunst, zum Beispiel in die verschmitzte, verwickelte Sprachkunst von Sama Maani.

Service

Sama Maani, "Zizek in Teheran", Roman, Drava

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