Junge Frau sitzt mit ihrem Laptop in einem Fenster zwischen mächtigen Wänden.

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Europas Datenschutz als Vorbild

Viele Länder wollen die strenge Regulierungspolitik der EU übernehmen.

In Bezug auf Netzpolitik und Datenschutz ist die Welt in große ideologische Blöcke eingeteilt: Die USA dominieren mit ihren riesigen Internet-Plattformen den Weltmarkt. Dementsprechend wenig halten die USA von Regulierungen jeglicher Art. Ganz anders China: dort möchte der Staat am liebsten alles im Netz kontrollieren, überwachen, zensieren.

Die EU versucht hier einen dritten Weg und tut sich als Vorreiter in Sachen Regulierung und Datenschutz hervor. Inwiefern Europa für viele Länder zum Vorbild wird, darüber sprach die Hamburger Politikwissenschaftlerin Ingrid Schneider kürzlich auf einer Konferenz des Instituts für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit dem Titel "Digital, direkt, demokratisch? Technikfolgenabschätzung und die Zukunft der Demokratie".

Regulierungssupermacht EU

Die Europäische Union ist in den vergangenen Jahren zur "Regulierungssupermacht" geworden. Auch das sei eine Strategie, um nicht zwischen den großen digitalen Playern aus den USA und China zerrieben zu werden, betont Schneider. Auf die EU Datenschutz-Grundverordnung des Jahres 2018 folgen jetzt der Digital Service Act sowie der Digital Market Act. Ziel dieser Gesetzesvorhaben sei es, die Marktmacht der großen US-Firmen einzuschränken.

Amazon, Google, Facebook & Co seien schließlich groß geworden, eben weil sie Datenschutz ignoriert haben, uns ausforschen, unsere Bewegungen tracken und daraus Persönlichkeitsprofile entwickelt, betont die Politikwissenschaftlerin: "So haben die Firmen große Datenschätze aufgebaut auf Kosten der Privatsphäre von uns Bürgern und Bürgerinnen."

Das Geschäftsmodell der Tech-Giganten stören

In den USA gibt es bis heute kein flächendeckendes Datenschutzgesetz. Das habe einerseits mit einem anderen ideologischen Zugang zu tun, erklärt Ingrid Schneider. Denn während in der EU die Grundrechte der Bürger sehr hoch bewertet werden, gelte in den USA die Freiheit, und hier insbesondere Meinungsfreiheit, als das höchste Gut.

Zum anderen habe die lasche Datenschutzpolitik der USA aber auch mit Standortpolitik zu tun. Man wolle den eigenen Tech-Giganten ja nicht das Geschäftsmodell zerstören. Doch immer mehr Länder wollen genau das und nehmen sich die EU als Vorbild. "Inzwischen gibt es 145 Länder der Welt, die eine Datenschutzgesetzgebung haben und die orientieren sich größtenteils an der Datenschutzgrundverordnung der EU."

Datenschutz in Handelsabkommen

In einem Forschungsprojekt untersucht Ingrid Schneider gemeinsam mit Kollegen, inwiefern die großen Entwicklungs- und Schwellenländer von der internationalen Netzpolitik beeinflusst werden. Sie selbst hat sich das Fallbeispiel Mexiko näher angeschaut. Mexiko gilt ja als Hinterhof der USA. Viele Firmen übernehmen dort das Geschäftsmodell der USA und halten sich an US-Standards, erklärt die Forscherin: "Auf der anderen Seite distanziert man sich und sagt: Wir wollen eine andere Politik machen und nicht so dominiert werden von den USA." Gerade was den Datenschutz angeht, orientiert sich auch Mexiko stark an der EU.

Die EU beeinflusst die Datenschutzpolitik anderer Länder auch mit Hilfe von Handelsabkommen. In solchen Abkommen wird häufig verlangt, dass sich die Handelspartner an europäische Datenschutzregeln halten müssen. Kompliziert wird es nur, wenn Mexiko auch gleichzeitig ein Abkommen mit den USA und Kanada hat und beide Abkommen einander inhaltlich widersprechen. Will Mexiko seine strengen, an die EU-angelehnten, Datenschutzrichtlinien anwenden, verlegen manche Betriebe ihren Standort in die USA - und schon gilt kalifornisches Recht.

Ein aktueller Streitpunkt in der internationalen Handelspolitik ist daher die Frage: Dürfen Länder gesetzlich festlegen, dass alle Daten, die im eigenen Land verarbeitet werden, auch in Rechenzentren im eigenen Land gespeichert werden? Auch Indien möchte diese "Datenlokalisierung" gerne gesetzlich verankern, um mehr Kontrolle und digitale Souveränität zu erhalten. Das Thema sei allerdings sehr ambivalent, erklärt Ingrid Schneider. Denn auch Länder wie Russland und China wollen diese Datenkontrolle. Allerdings nicht, um ihre Bürger und Bürgerinnen zu schützen, sondern um diese zu überwachen.

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Institut für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

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