Leere Aussparung, zerstörte Buddhastatue, Talibansoldaten im Bamiyan-Tal

AP/AMIR SHAH

Radiokolleg

Vernichtete Kunst, verwüstete Heiligtümer

Im Sommer 2014 zerstörte der Islamische Staat (IS) die Nabi-Yunus-Moschee in Mossul. Es war eine von zahlreichen religiösen Stätten, die der IS kurz nach der Einnahme der nordirakischen Stadt dem Boden gleichmachte. Ob schiitisch, sunnitisch, christlich oder einer anderen Religion zugehörig - jedes Gotteshaus und jeder Schrein war in Gefahr, wenn dort nicht die vom IS vertretene radikale Version des sunnitischen Islam praktiziert wurde.

Zerstörte Buddha-Statue im Bamiyan-Tal.

AP/AMIR SHAH

Zerstörte Buddha-Statue im Bamiyan-Tal.

Heiligenverehrung hat in solchen Versionen keinen Platz, sie gilt als Häresie. Und so wurde mit der Nabi-Yunus-Moschee auch der Schrein verwüstet, in dem der Überlieferung nach der biblische Prophet Jona (Nabi Yunus auf Arabisch) begraben war. Dabei ist diesem Propheten im Koran eine eigene Sure gewidmet.

Wertvolles Kulturerbe wird gezielt vernichtet

Die Zerstörungen durch den IS und andere extremistische Gruppierungen, die nur ihre eigene Auslegung des Korans zulassen, haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten wiederholt international für Schlagzeilen gesorgt. Ob im Irak, in Syrien, in Afghanistan oder in Mali: Wertvolles Kulturerbe wurde gezielt vernichtet. Betroffen waren nicht nur Gotteshäuser, sondern auch antike Stätten aus vorislamischer Zeit und Museen.

Neu an den Aktionen des IS und ähnlich gesinnter Milizen war lediglich die Tatsache, dass die Angreifer ihre Taten fotografierten und filmten. In manchen Fällen verbreiteten sie die Aufnahmen sogar live über die sozialen Netzwerke. Das war auch im 20. Jahrhundert noch unüblich. Doch an und für sich sind bewusste Kulturzerstörungen seit Jahrtausenden ein trauriger Teil der Menschheitsgeschichte. Ob aus religiösem Eifer, aus Rache oder zur Bestrafung, aus Geltungssucht oder als Machtdemonstration, aus politischem Vernichtungswillen oder dem Wunsch, kulturelles Gedächtnis auszulöschen: Von allen Kontinenten, aus allen Zeiten, Zivilisationen und Religionen gibt es Beweise für derartige Feldzüge gegen identitäts- und traditionsstiftende Kulturgüter. Der rote Faden zieht sich von den alten Ägyptern, Griechen und Römern über die christlichen Bilderstürmer und die europäischen Kolonialisten, die russischen Revolutionäre und die Nationalsozialisten bis zu den heute aktiven radikalen Islamisten.

Zerstörte Nabi-Yunus-Moschee in Mossul.

Zerstörte Nabi-Yunus-Moschee in Mossul.

AP/KEIICHI HONMA

Spätassyrischer Palast freigelegt

Durch die Sprengung der Nabi-Yunus-Moschee in Mossul legte der IS den Zugang zu den darunter liegenden historischen Schichten frei – und begann, ein mehrere Hundert Meter langes Tunnelsystem zu graben. Auch der IS schien darüber informiert, dass Archäolog/innen und Geschichtswissenschafter/innen hier die Reste eines spätassyrischen Palastes aus dem 7. Jahrhundert vor Christus vermuteten. Solange die Moschee existierte, konnten die Expert/innen aber keine Grabungen durchführen.

Was der IS in den zwei Jahren seiner Herrschaft an Funden aus dem einstigen Palast entfernte, wird man wohl nie mehr feststellen können. Das, was nach dem Sturz des IS-Regimes noch übrigblieb, deutet auf einst reiche Schätze. So fanden Expert/innen noch Königsinschriften, Reliefs von assyrischen Torwächterfiguren und große geflügelte Stiere.

Artefakte auf dem internationalen Kunstmarkt angeboten

Zahlreiche Artefakte hat der IS höchstwahrscheinlich auf dem internationalen Kunstmarkt angeboten und damit die eigenen Kampagnen finanziert. Auch dieses Vorgehen entspricht einem uralten Usus. Neben Macht- und Deutungsansprüchen spiel(t)en bei Kulturzerstörungen stets auch materielle Interessen mit hinein. Durch Raub und Enteignungen wurden bzw. werden Kriege und neue Regime finanziert.

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