Lisz Hirn

NIKOLAI FRIEDRICH

Philosophin Lisz Hirn

Der Ö1 Club aus philosophischer Sicht

Selbst was als Klassiker gilt, ändert sich.

In der Podcast-Reihe Making of Ö1 hat Radiomacher Bernhard Fellinger die Philosophin Lisz Hirn zu einem Gespräch in unsere Clublounge gebeten.

Sie macht sich Gedanken zum Club im Allgemeinen, analysiert den Ö1 Club aus philosophischer Sicht und erklärt, warum Kultur für eine Gesellschaft notwendig ist.

Unter den ersten Assoziationen zum Begriff Club sind für mich die gleichen Interessen, Werte, Ziele und Meinungen, die aufeinandertreffen und auch die Fähigkeit eines Clubs, Zusammengehörigkeit zu erzeugen. Aus philosophischer Sicht ist das Aufnahmeritual, das jeder Club hat, sehr spannend. Man ist nicht automatisch bei einem Club dabei, sondern man hat irgendeine Art Leistung zu erbringen, wie auch immer die im individuellen Fall aussieht. Durch dieses Element des Aufgenommen- und Akzeptiertwerdens fühlt man sich dann als etwas Besonderes, und gleichzeitig als Teil von etwas Größerem. Im Ö1 Club finden sich Menschen zu einer kulturellen Gruppe zugehörig, die ähnliche Werte schätzt und pflegt.

Ein Club muss auch immer etwas bieten

Das ist der große Unterschied zu reinen NGOs, wo es darum geht, die Sache zu unterstützen. In einem Club müssen aus der Zugehörigkeit Vorteile erwachsen. In der Geschichte der Clubs – egal ob politische, sportliche oder kulturelle – ist der Faktor Informationsweitergabe entscheidend und wichtig. Weitere Aufgaben sind es, besondere Erlebnisse zu ermöglichen, Menschen zu vernetzen und Raum für Meinungsaustausch – allerdings mit dem Vorzeichen von ähnlichen Interessen – zu bieten.

Das Experimentieren fördern

Wie bringe ich junge Menschen im Zeitalter der Streamingdienste und schier unendlichen Onlineangeboten dazu, mit verschiedenen Kulturrichtungen zu experimentieren, die eigene Komfortzone zu überwinden, sich beispielsweise ins Theater, in die Oper oder zu einem Happening zu trauen? Die Herausforderung ist, Menschen nicht nur durch Streamingdienste und Onlineangebote in der eigenen Nische zu bedienen, sondern sie zu motivieren, Verschiedenes auszuprobieren. Ermäßigungen und Vergaben von Eintrittskarten wie beim Ö1 Club können hier ein großer Anreiz sein, weil diese die finanzielle Hemmschwelle senken.

Wobei junge Menschen dem Begriff ›Kultur‹ und insbesondere ›Hochkultur‹ distanziert gegenüberstehen. Er strahlt etwas Elitäres aus und scheint weder Rezipient/innen noch Kulturschaffenden viel Raum zum Experimentieren zu bieten. Dieser Raum findet sich noch am ehesten in ›Nischen‹. Die erweisen sich allerdings oft als unrentabel. Die Frage ist, leisten wir uns als Gesellschaft neben der Hochkultur auch Kultur und Kunstschaffende, die möglicherweise keinen Profit erwirtschaften? Wir sollten! Es wird unseren kulturellen Horizont jedenfalls erweitern. Außerdem wurden viele heute anerkannte Künstler/innen, Komponist/innen oder Musiker/innen samt ihrer Werke zu ihrer Zeit hinterfragt und für ihre Visionen belächelt… Selbst was als Klassiker gilt, ändert sich.


Lisz Hirn