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Neun Minuten - die Folgen des Anschlags in Wien
Der 2. November 2020 ist einer dieser Tage, an den sich viele Menschen in Österreich noch genau erinnern und wissen, was sie getan, mit wem sie den Abend verbracht haben. Damals geht ein junger Mann mit einem Sturmgewehr bewaffnet durch die Wiener Innenstadt, erschießt wahllos vier Menschen, verletzt 22 weitere zum Teil schwer, ehe er selbst nach neun Minuten von Einsatzkräften der Polizei erschossen wird.
19. November 2021, 02:00
Hörbild und Podcast-Serie
Diese Produktion entstand im Rahmen des Feature-Podcast-Wettbewerbes #moving_audio
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Podcast: Neun Minuten
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Noch am selben Abend ist klar: Es war ein Anschlag, verübt von einem 20-jährigen Österreicher, der dem Staatsschutz als Sympathisant des sogenannten Islamischen Staates bekannt war.
Zuerst schwieg das offizielle Österreich gemeinsam. Am Anschlagsort gedachten vom Bundespräsidenten abwärts die Granden der Politik der Opfer, die so plötzlich aus dem Leben gerissen worden waren. Eine Schweigeminute wurde abgehalten, drei Tage Staatstrauer verkündet, die Fahnen hingen auf Halbmast. Doch die Welt dreht sich weiter, ein Schleier des Vergessens hat sich seither über den Anschlag gelegt. Es gilt weiterzumachen, nach vorne zu schauen; auch wenn das schwerer fällt, je näher man dem Schrecken gekommen ist.
Für jene, die ganz nah dran waren, ist das beinahe unmöglich. Sie haben an diesem Abend einen Sohn, eine Tochter, die Schwester oder ihren Vater verloren. Welche Folgen dieser Verlust für ihr aller Leben bedeutet, hat Dossier-Journalistin Sahel Zarinfard dokumentiert.
Seit April 2021 steht sie mit manchen der Hinterbliebenen in Kontakt und hat in mehrstündigen Interviews aufgezeichnet, wie es ihnen seither geht. Sie berichten von ihrer Trauer und ihrer Wut auf Österreichs Behörden. Denn der Anschlag, davon sind die Angehörigen überzeugt, hätte verhindert werden können. Schließlich war der Attentäter amtsbekannt.
Unter den Augen des Staatsschutzes konnte er sich stetig radikalisieren, ihm ist es gar gelungen, für seinen Anschlag an ein Sturmgewehr zu kommen. Die behördlichen Versäumnisse im Vorfeld des Anschlags sind evident, aufgedeckt von der unabhängigen Untersuchungskommission unter der Leitung von Strafrechtsexpertin Ingeborg Zerbes. Ihr Bericht ist Wasser auf die Mühlen der Angehörigen und auch Grundlage juristischer Konsequenzen, die seit dem Anschlag mehrere Gerichte beschäftigen.
ORF/JOSEPH SCHIMMER
Der Anschlag hat aber nicht nur das Leben der Hinterbliebenen verändert, er hat uns auch als Gesellschaft getroffen. Die Verantwortlichen griffen zu schärferen Gesetzen und schnürten ein neues Anti-Terror-Paket. Auch die seit Jahren ausständige Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist beschlossen worden und tritt mit Dezember 2021 in Kraft. Doch wurde hier an den richtigen Schrauben gedreht? Hat die Republik die richtigen Lehren aus dem Anschlag gezogen? Und wie ist es nun um die Zukunft der Terrorabwehr bestellt?
Diese Fragen hat Sahel Zarinfard mit Expertinnen und den Behörden besprochen. Das Ergebnis ihrer Recherche wird am 1. November 2021 im Rahmen der Ö1 Sendereihe Hörbilder sowie als dreiteilige Podcast-Serie ausgestrahlt.
Ton: Fridolin Stolz und Milos Ikic
Sprecherinnen: Sahel Zarinfard und Katharina Knap
Gesamtredaktion: Eva Roither
Text: Sahel Zarinfard, Journalistin bei der Rechercheplattform Dossier