Andrea Vitasek als "Der Herr Karl"

VALERIE LOUDON

Kabarett direkt

Andreas Vitásek als "Herr Karl"

"Der Herr Karl wollte einem Typus auf die Zehen treten, und ein ganzes Volk schreit 'Au' ...", so charakterisierte der Schriftsteller und Theaterkritiker Hans Weigel einst die ambivalente Figur des Herrn Karl.

Andreas Vitasek als "Der Herr Karl"

VALERIE LOUDON

In Zusammenarbeit mit Helmut Qualtinger hat Carl Merz, selbst Schriftsteller und Kabarettist, 1961 das Ein-Personen-Stück über den Magazineur vom Feinkost Wawra entwickelt. Und Qualtinger ist es gelungen, mit diesem Herrn Karl einen für ganz Österreich generalisierbaren Wiener auf die Bühne zu bringen.

60 Jahre später wagt sich Andreas Vitásek an eine sehr persönliche Interpretation dieses Klassikers der österreichischen Gesellschaftssatire heran. Auslöser dafür war die Vorarbeit für sein Solo "Austrophobia" aus dem Jahr 2018, das Vitásek den unterschiedlichen Facetten der österreichischen Seele gewidmet hat. "Und wer sich mit der österreichischen Seele beschäftigt, der kommt am Herrn Karl nicht vorbei", findet der Kabarettist. Der Zufall spielte ihm die antiquarische Erstausgabe des Textes zu, erworben für 20 Euro.

Text im Vordergrund

Andreas Vitásek nahm sich vor, dem berühmten Monolog so unbeeinflusst wie möglich zu begegnen. Anders als im Original tritt er nicht im grauen Staubmantel vor sein Publikum und verzichtet auch auf Konservendosen als Requisiten. Er erscheint im schlichten, dunklen Anzug, und das Bühnenbild ist eher karg: ein Sofa samt Beistelltisch, auf dem eine Flasche billigen Cognacs steht. An die Wand der linken Bühnenseite werden historische Bilder projiziert, die als Fenster in die österreichische Vergangenheit dienen sollen.

Für Vitásek steht beim "Herrn Karl" allein der Text von Carl Merz im Vordergrund, den er unverändert übernommen hat. Behutsam schlüpft er in diese Rolle, konzentriert sich auf die Widersprüchlichkeiten der Figur und navigiert so durch das Leben des Protagonisten. Er erzählt: über die 1930er Jahre, die Wirtschaftskrise, über Hitler, die Besatzungszeit, den Wiederaufbau und über das neue Österreich.

Tragödie des alten weißen Mannes

"Jeder kennt den Herrn Karl, aber man hat immer dieselben Szenen im Kopf, wie den Heldenplatz, die Begegnung mit Hitler und das Thema des Mitläufertums", so Vitásek. Was aus Sicht des Kabarettisten weniger in Erinnerung bleibt, das sind die unglücklichen Beziehungen des Magazineurs zu seinen drei Frauen, das Scheitern seiner Ehen und die Tragödie des alten weißen Mannes, der nicht versteht, warum es mit ihm zu Ende geht.

Auf interessante Weise ist es Vitásek gelungen, bei diesem intensiven Monolog über Opportunismus, Überlebenskunst, Mitläufertum und Angepasstheit einen Bogen zwischen der Zeitgeschichte und der Gegenwart zu spannen, zwischen dem historischen Hintergrund, vor dem das Stück angesiedelt ist, und der heutigen Zeit. Den "Herrn Karl" zurück auf die Bühne des 21. Jahrhunderts zu holen, war für Andreas Vitásek ein Wagnis. Aber er hat das Stück für sich neu erobert. Denn, so der Kabarettist, auch nach Alec Guinness haben sich Schauspieler an die Rolle des Hamlet herangewagt.

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