Einar Schleef, 1998

APA/DPA/INGO WAGNER

Burgtheater-Symposium

Das Kraftwerk Einar Schleef

"Wie ein Kraftwerk, das Strom erzeugt" hat Elfriede Jelinek den deutschen Theatermacher und Autor Einar Schleef bezeichnet, dessen Todestag sich heuer zum 20. Mal jährt. Anlass für das Wiener Burgtheater sich in einem zweitägigen Symposium mit dem Titel "Das Kraftwerk" mit dieser polarisierenden Extremfigur des deutschsprachigen Theaters zu beschäftigen.

Einar Schleef, der 1976 aus der DDR floh, hat als Regisseur mit dem Einsatz des Chores eine ganz neue radikale Theatersprache entwickelt. Zu einem seiner größten Erfolge wurde Elfriede Jelineks "Sportstück" am Wiener Burgtheater, nur drei Jahre vor dessen Tod 2001.

Der Strom, den das Kraftwerk Einar Schleef erzeugte, versorgt noch heute - 20 Jahre nach seinem Tod - die deutschsprachige Theaterlandschaft mit Energie. Schleef war eine zentrale prägende Figur für das Theater und darüber hinaus, sagt Dramaturg Alexander Kerlin, einer der Kuratoren des Symposiums: "Er hat als Maler gearbeitet, als Bühnenbildner - das war seine eigentliche Ausbildung. Er hat ein riesiges Werk hinterlassen von großen Texten. Er war höchst kontroverse kraftvolle Figur." Und eine schwierige Persönlichkeit mit dem unbedingten Willen zur großen Kunst.

"Dann mach ich's nicht"

Einar Schleef spaltete Kritiker, Publikum und Kollegen. Wo er hinkam, gab es Aufregung, wurden Regeln verletzt und Premieren abgesagt. Die Inszenierung von "Fräulein Julie" am Berliner Ensemble 1975, bei der Schleef 60 Jugendliche von der Straße auf die Bühne holte, die zur Rockmusik tanzten, geriet zum kulturpolitischen Skandal - einer von vielen. Denn Schleef war auch den eigenen Ansprüchen gegenüber kompromisslos.

"Wenn die Theater nicht in der Lage waren zu realisieren, was er dem Theater abverlangte - Probenzeit oder Bühnenbildvorstellungen, dann hat er die Sachen einfach platzen lassen und gesagt: ‚Dann mach ich‘s nicht‘", so Kerlin.

Brachte Chor zurück auf die Bühne

Zentral in den Arbeiten Einar Schleefs war der Einsatz des Chores. Den antiken Chor, der mit der Neuzeit von den Bühnen verschwunden war und dem Individuum, dem Helden und Einzelkämpfer Platz gemacht hatte, brachte er wieder zurück auf die Bühnen. Es waren Gruppen von Abgehängten und Abhängigen, von Kindern und Frauen, Dienern und Knechten, Putzfrauen und Müttern. Dafür musste er Vorwürfe wie Nazitheater oder faschistische Ästhetik vorwerfen lassen. Einer seiner schärfsten Kritiker war Peter Zadek. Heute gilt Schleef als Wegbereiter, der Chor ist wieder zurück auf den Bühnen.

Alexander Kerlin: "Ich erinnere an die Arbeiten von Ulrich Rasche, bei uns zu Gast sein wird Thomas Köck, der sich als Autor mit der chorischen Figur auseinandersetzt, und Robert Borkmann, der den Chor als Regisseur bei 'Schwarzwasser' am Akademietheater einsetzt."

Elfriede Jelineks Wunschregisseur

Für Elfriede Jelinek war Einar Schleef nicht zuletzt wegen seines Verhältnisses zur Sprache der ideale Regisseur. Die Umsetzung ihres "Sportstückes" am Burgtheater geriet zu Schleefs größtem Theatererfolg. Auch ihr Stück "Macht nichts - Eine kleine Trilogie des Todes" sollte Schleef am Berliner Ensemble umsetzen. Damals sagte Jelinek in einem Interview. "Ich wollte, dass er das macht. Nach dem ‚Sportstück‘ habe ich gehofft, dass es mir einmal gelingen wird - wie mit Bernhard und Peymann -, dass ich einen Regisseur habe, mit dem ich kontinuierlich zusammenarbeiten kann." Doch während der Probenzeit erkrankte Schleef, und starb ein halbes Jahr später, im Juli 2001, vereinsamt in einer Berliner Klinik.

"Für mich ist das ein unersetzlicher Verlust, der Tod vom Schleef", Elfriede Jelinek

Eine Grußbotschaft von Elfriede Jelinek wird heute Abend das Symposium eröffnen. Bibiana Beglau liest unter dem Titel "Mir kommt kaum ein Wort über die Lippen" unter anderem aus Schleefs Tagebüchern und morgen gibt es Vorträge und Podiumsdiskussionen. Eine einmalige Gelegenheit sich an ein Kraftwerk zu erinnern, das vor 20 Jahren, viel zu früh stillgelegt wurde.

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Burgtheater - Wer war Einar Schleef?

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