Thomas Wally am Klavier im Wiener Funkhaus

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Neue Musik auf der Couch

Alban Berg: "Lyrische Suite"

Neben seiner Tätigkeit als freischaffender Komponist und Violinist auch an der Wiener Musikuniversität als Senior Lecturer in musiktheoretischen Fächern aktiv, betrachtet Thomas Wally dieses Werk aus (hör)analytischer Perspektive. In dieser neuen "Zeit-Ton"-Serie stellt er analytische Tools bereit, mit deren Hilfe Neue Musik mit einem geschärften Fokus wahrgenommen werden kann. Jeden Monat wird ein Streichquartett der letzten 100 Jahre analysiert, pro Jahrzehnt eines.

1925 lernt Alban Berg in Prag Hanna Fuchs-Robettin kennen, zwischen den beiden entsteht eine tiefe Verbindung. Diesem einschneidenden Erlebnis wird Berg eines der vielschichtigsten musikalischen Denkmäler errichten: vom Anbahnen dieser Verbindung bis hin zur Trauer und Resignation darüber, diese Liaison nicht ausleben zu können.

Die musikalische Sprache dieser Komposition ist von der relativ neu entwickelten Zwölftonmethode bestimmt, also von der "Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen", wie der eigentliche Terminus technicus heißt, allerdings im Wechselspiel mit der freien Atonalität, welche ab 1908 die Musik der Zweiten Wiener Schule prägt. Die Zwölftonreihe, die am Beginn des Werkes erklingt, ist eine ganz besondere: eine Allintervallreihe, also eine Tonfolge, welche alle elf Intervalle (von der kleinen Sekunde bis zur großen Sept) enthält.

Eine Vielzahl musikalischer Symbole durchzieht dieses Streichquartett: so finden sich die Initialen von Alban Berg und Hanna Fuchs in der Musik wieder, sowohl Alban Bergs als auch Hanna Fuchs' Zahl (die 23 bzw. die 10) prägen musikalische Verläufe. Auch Hannas Kinder erscheinen in musikalischer Gestalt; Zitate (Wagners Tristan, Zemlinskys Lyrische Symphonie) fügen eine weitere semantische Ebene hinzu.

Sechs Sätze enthält dieses berührende Werk, Sätze, deren Titel die emotionale Katastrophe widerspiegeln. Einem "Allegretto gioviale", wo die Welt noch in Ordnung scheint, folgt ein "Andante amoroso". Ein geheimnisvolles "Allegro misterioso" und ein "Adagio appassionato" bilden die beiden Mittelsätze. Den positiven Gefühlen der ersten beiden Sätze steht die Negativität der beiden letzten Sätze gegenüber: "Presto delirando" heißt der 5. Satz, "Largo desolato" der Schlusssatz. Diesem liegt ein Gedicht von Baudelaire zugrunde: "De profundis clamavi", wodurch dieser Satz nicht als Lied ohne Worte, sondern als Lied mit Worten, die aber nicht erklingen, betrachtet werden kann.

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