ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Ö1 Jazznacht
Bassist Roidinger wird 80
Vor einigen Jahren habe er begonnen, mit Gitarrenstimmungen auf sechs-, sieben und achtsaitigen E-Bässen zu experimentieren - um so jene Klänge zu erzeugen, die er in sich höre. So sprach Adelhard Roidinger im bisher letzten "Ö1 Jazznacht"-Interview. Das immerhin auch schon wieder zehn Jahre zurückliegt.
26. Dezember 2021, 12:00
Damals, Ende 2011, hatte Roidinger gerade seinen 70. Geburtstag gefeiert. Und schon damals hatte man von ihm lange Zeit nicht viel gehört: Roidingers letzte Tonträger-Veröffentlichung unter eigenem Namen lag 20 Jahre zurück, Auftritte waren rar. Und wenn, dann ließ sich Roidinger, der im Interview zu Protokoll gab, dass ihn seine pädagogische Tätigkeit - vor allem an der Jazzabteilung des damaligen Brucknerkonservatoriums in Linz - sukzessive vom künstlerischen Tun "weggesaugt" habe, zumeist mit elektronischer bzw. elektroakustischer Musik hören.
Es ist nie zu spät, sich selbst neu zu erfinden
Der viel gerühmte Jazzbassist, er existierte damals vor allem in der Erinnerung. Adelhard Roidinger, das war eines der internationalen Aushängeschilder des österreichischen Jazz, einer der gefragtesten Kontrabassisten der 1970er und 1980er in Europa und darüber hinaus. Namen wie der des Chicagoer Saxofonisten Anthony Braxton sind mit ihm verbunden, auch der des japanischen Pianovirtuosen Yōsuke Yamashita. Nebst vielen anderen.
Aushängeschild des österreichischen Jazz
Der schwedische Posaunist Eje Thelin war einer der Ersten, die das Talent des Bassisten erkannten. Das war Ende der 1960er Jahre, als Thelin den aus Windischgarsten stammenden Adelhard Roidinger am neu gegründeten Jazzinstitut der Grazer Musikakademie kennenlernte. Erste Schallplattenaufnahmen mit Thelin und dem deutschen Pianisten Joachim Kühn u. a. in Paris waren die Folge.
Zurück in Österreich, herrschte ein wahres "Griss" um den jungen Musiker, der sich am Instrument vor allem an Gitarristen wie Wes Montgomery orientierte, und der so eine stupende Technik entwickelt hatte, die er für ideenreiche, interaktive Lines nützte: Erich Kleinschuster wollte Roidinger für die 1971 gegründete ORF-Big-Band haben. Und Saxofonist Hans Koller, nach 20 Jahren in Deutschland gerade nach Wien zurückgekehrt, hatte ihn für seine neue Free-Sound-Band entdeckt.
Neuerfindung & Comeback
Roidinger entschied sich gegen den Sicherheit bietenden Big-Band-Job - und für Hans Koller. "Das hat für mich enorme Konsequenzen gehabt, für mich war Österreich dann weit weg. (...) Nach den ersten Auftritten in Deutschland war ich aber sofort in den führenden Bands drin, ich habe mit Wolfgang Dauner und Albert Mangelsdorff gespielt. Das hat meinem Leben entscheidend eine andere Richtung gegeben", so erinnerte sich Roidinger im "Ö1 Jazznacht"-Interview anno 2011, mit dem Autor dieser Zeilen als Gastgeber.
Die eingangs erwähnte Experimentierphase, von der Adelhard Roidinger im selben Interview sprach, sie sollte danach noch einige Jahre andauern: Erst Ende 2019 erschien nach vielen Jahren Tonträger-Pause die CD "Parusia", mit der sich Roidinger als Musiker noch einmal neu erfand: Im Rahmen des Albums führt er seine musikalischen Forschungsstränge zusammen, er frönt auf dem neu entwickelten siebensaitigen Tenorbass, mit dem er mikrotonale elektronische Soundwelten generiert, freien Improvisationen mit dem deutschen Pianisten Andy Lumpp.
Im Duo mit Yōsuke Yamashita
Über dieses bemerkenswerte künstlerische Comeback wird Roidinger im "Ö1 Jazznacht"-Gespräch zu seinem 80. Geburtstag - punktgenau am 28. November - Auskunft geben. Im Anschluss erklingt ein hochinteressantes Fundstück aus dem Archiv: Adelhard Roidinger im Duo mit Yōsuke Yamashita in der von Robert Urmann kuratierten Reihe "Hot Line", aufgenommen am 31. Oktober 1988 im ORF-Landesstudio in Linz.